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Archiv-Artikel

Quasi-Tabu für Abschiebehaft

JUSTIZ Amtsgericht Hannover setzt ausreisepflichtigen Flüchtling auf freien Fuß: Für eine Haft fehle die Rechtsgrundlage

Eine unerlaubte Einreise oder eine abstrakte „Fluchtgefahr“ können nicht mehr ohne Weiteres als Begründung herhalten, gegen einen Ausreisepflichtigen Abschiebehaft anzuordnen. Das hat jetzt das Amtsgericht Hannover bekräftigt und die Abschiebehaft gegen einen Albaner aufgehoben. Die Amtsrichterin Gudrun Gundelach wendete dabei die jüngste Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes zur sogenannten „Dublin-Haft“ an.

Der Mann aus Albanien war in den vergangenen Jahren schon mehrfach auch wegen Drogen-Straftaten aus Deutschland abgeschoben worden und im November vorigen Jahres bei einer Personenkontrolle in einer Spielhalle ohne Ausweispapiere erneut von der Polizei festgenommen worden. Die Ausländerbehörde beantragte beim Amtsgericht Hannover Abschiebehaft bis zur Beschaffung von Passersatzpapieren aus Albanien.

Gegen diesen Beschluss des diensthabenden Richters hatte der Betroffene über seinen hannoverschen Anwalt Peter Fahlbusch sofort Beschwerde eingelegt. Bei der Prüfung folgte das Amtsgericht jetzt den Ausführungen Fahlbuschs. Es bezog sich dabei auf zwei Grundsatz-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.

Das oberste Gericht hatte im Sommer geurteilt, dass Schutzsuchende in Deutschland nicht ohne gesetzliche Grundlage ihrer Freiheit beraubt werden dürfen und dass es im Rahmen von Abschiebehaft bei Ausweisungen nach der europäischen „Dublin-III-Verordnung“ an „einer gesetzlichen Grundlage für die Definition des Begriffs ‚Fluchtgefahr‘ fehlt“. Vielmehr entscheide der Haftrichter nach eigenem Gutdünken.

„Die Entscheidung hat zur Konsequenz, dass gegenwärtig Abschiebehaft in nahezu allen Fällen nicht mehr verhängt und vollstreckt werden darf“, sagt Fahlbusch, der sich auf Ausländerrecht spezialisiert hat. Nahezu 80 Prozent der Abschiebe-Inhaftierungen finden laut Experten im Rahmen des Dublin-III-Procederes statt. Die genaue Zahl verschweigt die Bundesregierung.  KAI VON APPEN