: Der den Bildern ihren Atem gab
NACHRUF Peter Przygodda, Schnittmeister von Wenders und Karmakar
Das Schneiden von Filmen ist eine Kunst, die ihre Kunst in der Regel verbirgt. Unsichtbar soll bleiben, was von einer Einstellung zur anderen führt. Der Schnittmeister gibt den Bildern die Folge, er gibt der Folge die Form, er gibt dem Film den Rhythmus, und vor allem schneidet er weg.
Der Schnitt ist mehr Handwerk als Kunst, sagte Peter Przygodda, er dient dem Material, das der Filmemacher ihm vorlegt. Wie prägend einer sein kann, der seine Funktion als solchermaßen dienende versteht, das hat dann aber doch kaum einer wie Przygodda bewiesen. Der wichtigste Schnittmeister (das hörte er dann doch lieber als Cutter) des deutschen Autorenfilmer-Aufbruchs ist nun im Alter von siebzig Jahren verstorben.
Der erste Name, den man mit dem seinen verbindet, ist der von Wim Wenders. Den neuartigen, sich auf die Wirklichkeit in aller Ruhe einlassenden frühen Wenders-Filmen, von „Alice in den Städten“ bis zum „Stand der Dinge“, gab Przygodda im Schnitt den Atem, dessen dieses vom Fortgang der Erzählung immer wieder absehende Erzählen bedurfte. Daneben war Przygodda tätig für Klaus Lemke, dessen Filme „Paul“ und „Sylvie“ zu großartig exzentrischen Streichen nur werden konnten dank der Balance zwischen Offenheit und Struktur, die Przygodda im Schnitt für sie fand. Daneben war und blieb er ein treuer Begleiter der Karriere von Volker Schlöndorff, von „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ bis in die glanzlose Spätzeit.
Es war ein Glück, dass es dann mit Romuald Karmakar in den Neunzigern noch einmal zur Zusammenarbeit mit einem großen Regisseur kam. Das verstörend-grandiose Crescendo des Wahnsinns in Karmakars arg unterschätztem „Manila“ funktioniert in erster Linie dank das Timings, das Przygodda dem Material abgewann.
Als Bearbeiter eines spezifischen Materials sah er sich in erster Linie, Drehbücher wollte er nicht lesen. Er zog dabei eine klare Linie zur Architektur – und Architekt wollte er ursprünglich werden. Der Schnitt gibt den Teilen, aus denen für den Film ein Ganzes gefügt wird, und so auch dem Ganzen die richtige Proportion. Wie wichtig auch die benachbarte Rhythmuskunst, die Musik war, erkennt man an seiner häufigen Zusammenarbeit mit dem Musiker Irmin Schmidt von der Krautrockband Can.
Die Entwicklung des deutschen Films, auf den das Fernsehen gewaltigen Nivellierungsdruck ausübt, sah Przygodda kritisch. Offen blieb er bis zuletzt für das Neue, interessierte sich für den revolutionären Umbruch zum Digitalen und forderte und förderte als Professor an der Filmhochschule in München nicht die Konvention, sondern das Experiment.
EKKEHARD KNÖRER