piwik no script img

Archiv-Artikel

Schweizer tanken fairen Sprit

Die Mineralölgesellschaft Migrol mischt fair gehandelten Sprit aus brasilianischem Soja ihrem Treibstoff bei. Autofahrer bezahlen in einer virtuellen Tankstelle

BERLIN taz ■ Nach Kaffee, Reis und Bananen können bewusste Bürger in der Schweiz nun auch fair gehandelten Biosprit tanken: Seit Ende August bietet die Fairtrade-Organisation gebana AG auf ihrer Homepage eine virtuelle Tankstelle. Über diese können Autofahrer in der Schweiz einen Mehrpreis gegenüber dem fossilen Treibstoff bezahlen: Der Solidaritätszuschlag pro einem Liter Sprit beträgt etwa 36 Cent. Die Mineralölgesellschaft Migrol mischt anschließend die entsprechende Menge des fair gehandelten Treibstoffes dem normalen Sprit bei.

Das Prinzip läuft wie beim Ökostrom: Durch den virtuellen Kauf verändern die Kunden die Marktsituation – auch wenn sie ihre Autos weiterhin zum normalen Preis an der Zapfsäule tanken müssen.

Der fair gehandelte Biotreibstoff wird im Südwesten Brasiliens aus Sojaöl hergestellt, das als Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Soja zweiter Qualität entsteht. Produzenten sind 250 Familienbetriebe – chemische Keulen setzen die Bauern dort nicht als Düngemittel ein. „Das Projekt ist nachhaltig und ökologisch“, sagt die Geschäftsführerin von gebana, Mirjam Güntert. Die Landwirte profitierten davon, da sie ihre Ernte nicht an Zwischenhändler verkaufen müssten. Von gebana erhalten sie pro Sack Soja im Schnitt sieben US-Dollar mehr, als für konventionellen Soja.

Unterstützt hat das Projekt auch das Staatssekretariat für Wirtschaft in der Schweiz: Es finanzierte eine Studie, um die Ökobilanz des neuen Treibstoffes zu erstellen. Das Ergebnis: Die Reduktion der klimawirksamen Emissionen gegenüber Diesel beträgt damit 70 Prozent. Außerdem würde kein anderer Treibstoff so nachhaltig angebaut und gewonnen. Das liege daran, dass die Landwirte keinen Urwald roden sowie keine synthetischen Dünger und Pestizide für den Anbau ihrer gentechnikfreien Sorten verwenden.

Insgesamt stehen momentan 1,5 Millionen Liter des Treibstoffes bereit – eine Promill vom Jahresverbrauch in der Schweiz. Mehr sei nicht möglich, meint Güntert. Schließlich würden dafür nur die Sojapflanzen verwendet, die nicht als Nahrung benötigt werden. Deshalb hat sich die Organisation ein neues Ziel gesetzt: fair gehandelter Sprit aus dem Öl der afrikanischen Pflanze Jatropha. „Das ist mit 60 Oktan das effektivste Öl der Welt“, sagt Güntert. Zunächst muss wieder die Ökobilanz erstellt werden; in einem halben Jahr soll das Ergebnis vorhanden sein. Und wenn das positiv ausfällt? „Dann werden wir versuchen, in den nächsten drei Jahren ungefähr zehn Millionen Liter des Treibstoffes herzustellen“, so Güntert. Die Zusammenarbeit mit Migrol kommentiert sie so:

Migrol sei auch „rein geschichtlich der beste Partner“: „Der Konzern hat als Erster in der Schweiz bleifreies Benzin auf den Markt gebracht.“

Als „interessant“ bezeichnet die deutsche Gepa, Europas größte Importorganisation für fair gehandelte Waren, das Schweizer Projekt. Für Deutschland sei aber zurzeit nichts dergleichen geplant. Mit einem Zertifikatesystem soll aber künftig importiertes Pflanzenöl gekennzeichnet werden, das hat das Bundeslandwirtschaftsministerium veranlasst. So könne die nachhaltige Produktion gewährleistet werden.

JULIA LANGENSIEPEN