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Archiv-Artikel

Personalausweise am Fließband

SPAREN Das neue Online-Terminmanagement setzt Ortsamts-Mitarbeiter unter Stress. Die Chefs hätten willkürlich die Bearbeitungszeiten für Ummeldungen, Pässe oder Führungszeugnisse verkürzt, so Ver.di

Taktzeiten erhöht

Die Bezirksleitungen haben die Bearbeitungszeiten für Papierangelegenheiten mehrfach verändert.

■ Bei Einführung des Online-Terminmanagements zum Jahreswechsel 2013/14 lag die Referenzzeit für die Ausstellung eines Personalausweises bei 20 Minuten.

■ Ab Juni 2014 galt Folgendes: Bei den Dienstleistungen „Personalausweis“, „Reisepass“, „Expressreisepass“ wird die Termindauer von 20 auf zehn Minuten reduziert. Das galt nicht für die Kundenzentren Bergedorf und Bramfeld.

■ Nach Protesten der Mitarbeiter wurde dies etwas gelockert. Seit Mitte September darf der Personalausweis 15 Minuten dauern.

■ Das Personal der 21 Kundenzentren wird weniger. Noch im Juni 2012 waren es 229 Stellen, im Juni 2014 nur noch 206.

Wie im „Hamsterrad“ fühlten sich die Beschäftigten der Ortsämter, seit ein neues „Terminmanagement“ eingeführt wurde, berichtet der Personalrat Thomas Auth-Wittke. „Bei einer Personalversammlung sind die Kollegen in Tränen ausgebrochen.“ Das neue Verfahren „taktet den Bürger und taktet die Beschäftigten“, kritisiert Ver.di-Sekretärin Sieglinde Friess.

Mit dem flotten Spruch „Tschüß Wartezeit“ warb die Stadt im vorigen Frühjahr dafür, Termine im Internet zu buchen. Alle 20 Kundenzentren haben seither Online-Terminpläne. Doch die Kehrseite war, dass Bürger ohne Termin wieder weggeschickt wurden. Weil dies Unmut erzeugte, sollen die 210 Sachbearbeiter nun „Spontankunden“ und „Terminkunden“ versorgen. Auch soll keiner länger als zehn Tage auf einen Termin warten. Dafür erließen die sieben Bezirksamtsleiter zum 1. Dezember eine „Arbeitsanweisung“, die bei den Beschäftigten die Daumenschrauben ansetzt.

„Es kommt vor, dass wir drei Terminleisten abarbeiten müssen, obwohl nur zwei Leute da sind“, berichtet Ver.di-Mitglied Vera König* vom Kundenzentrum Süderelbe. Eine „Terminleiste“ ist ein Kalender, in den die Kunden sich online einbuchen. Ein Personalausweis etwa darf dort 15 Minuten dauern, eine Ummeldung zehn, ein Führungszeugnis fünf – zu wenig, sagt König. Ausweise und Pässe mit Fingerabdrücken und biometrischen Daten seien heute komplizierter als früher. „Und wir haben es mit Menschen zu tun, die wir beraten müssen. Nicht mit Konservendosen.“ Noch zum Start des Online-Systems durfte ein Ausweis 20 Minuten dauern, diese Zeit hatte eine Projektgruppe gemessen.

Die zweite Stellschraube ist die Vorgabe an die Kundenzentren, 50 Prozent der verfügbaren Arbeitszeit online für Termine anzubieten. „Die Terminleisten laufen immer voll“, berichtet König. Auf der Strecke bleibe die für den Bürger nicht sichtbare „Hintergrundarbeit“, etwa der Abgleich mit anderen Städten bei Ummeldungen.

Hinzu kommt die Vorgabe, auch Eilfälle immer zu bedienen, die mitunter sehr lange warten. „Zwei Kunden waren um 9 Uhr morgens da und erst um 18 Uhr abends fertig“, berichtet König. Auch Terminkunden müssten warten. Deren Unmut sei schwer zu ertragen. „Wir werden täglich beschimpft für ein System, hinter dem wir nicht stehen.“ Bürger, die vor Ablauf der Öffnungszeit das Haus betreten, müssen auch nach Schließung bedient werden. Nur in Einzelfällen ist die Einstellung der Wartenummern-Ausgabe erlaubt.

Auth-Wittke sieht das Problem im fehlendem Personal. Im Zuge der Schuldenbremse sei der Abbau von 30 Stellen geplant. „Dazu kommen sehr hohe Krankenstände und am Service-Versprechen wird kein Deut nachgelassen“, sagt Auth-Wittke.

Der federführende Bezirksamtsleiter Thomas Völsch aus Harburg erklärt, mit dem Online-Terminmanagement habe man „einen Paradigmenwechsel vollzogen, der insgesamt sehr erfolgreich läuft“. Wenn in Einzelfällen mehr Terminleisten gebucht, als Mitarbeiter anwesend waren, liege dies an „außergewöhnlich hohen und nicht kalkulierbaren Personalausfällen“. Es gäbe auch keine festen Bearbeitungszeiten, behautet Völsch. Das Online-System erfordere die „Hinterlegung von Zeitwerten“. Diese würden „regelhaft überprüft und bei Bedarf angepasst“. Man werde das Gespräch mit Personalräten suchen.  KAIJA KUTTER *Name geändert