: Halb Liberia ganz außer Rand und Band
REAKTIONEN In Liberia sind die Reaktionen gespalten, unter arabischen Bloggern überwiegt Genugtuung
MONROVIA/BERLIN taz | Erst fünf Mal wurden in der über einhundertjährigen Geschichte des Friedensnobelpreises Afrikaner geehrt; nach den Südafrikanern Albert Luthuli (1960), Desmond Tutu (1984), Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk (beide 1994) und der Kenianerin Wangari Maathai (2004) ist es nun das erste Mal überhaupt, dass der Preis ins westliche Afrika geht. Und dennoch sind in Liberia, dem Land, aus dem gleich zwei der diesjährigen Preisträgerinnen kommen, die Reaktionen gespalten.
Das liegt nicht an der Menschenrechtlerin Leymah Gbowee, die auch in Liberia nicht allzu bekannt ist, aber umso mehr an der Staatspräsidentin Ellen Johnson-Sirleaf. „Nein, diese Auszeichnung hat sie nicht verdient“, sagt etwa Frederick Doyen. Der junge Mann trägt ein weißes T-Shirt, auf dem Winston Tubman lächelt. Tubman ist Spitzenkandidat des Congress for Democratic Change (CDC) und bei den Präsidentschaftswahlen am Dienstag der größter Konkurrent von Johnson-Sirleaf. „Nichts von dem, was sie vor sechs Jahren versprochen hat, hat sie gehalten“, sagt er. Überall herrschten Korruption und Arbeitslosigkeit. Mit den Anhängern der CDC wollte der junge Mann am Wochenende noch einmal ordentlich Werbung für ihren Kandidaten machen; die Nachricht aus Oslo hat ihnen die Stimmung gründlich verdorben. Doyen befürchtet nun, dass die Auszeichnung die Wahl beeinflussen könnte. „Frau Johnson-Sirleaf verdient keinen Friedensnobelpreis, weil sie in diesem Land Gewalt ausgeübt hat“, lässt sich denn auch ihr Herausforderer Tubman zitieren.
Sam Ebet ist das alles egal. Einige hundert Meter vom Sitz der Wahlkommission entfernt verkauft er Telefonkarten. Gerade hat er von der Auszeichnung erfahren. „Sie ist die erste Präsidentin Afrikas und damit ein Beispiel für die ganze Welt. Ich bin sehr glücklich“, ruft er. Glücklich macht ihn aber noch eins: Liberia, einst von freigelassenen Sklaven aus den USA gegründet, stehe plötzlich auf der gleichen Stufe wie die Supermacht. „Barack Obama hat den Preis bekommen. Jetzt sind wir an der Reihe.“
Stolz und Enttäuschung
Aus der arabischen Blogosphäre ist am Freitagnachmittag Freude über die Auszeichnung der jemenitischen Aktivistin Tawakkul Karman zu vernehmen, die den Preis stellvertretend für die arabischen Revolutionäre erhielt. Doch in die Gratulationen mischt sich immer wieder auch ein wenig Enttäuschung darüber, dass keiner der zuvor hoch gehandelten ägyptischen oder tunesischen Blogger den Preis erhielt. Die Tunesierin Lina Ben Mhenni hatte ebenso zu den Favoriten gezählt wie die Ägypterin Asmaa Mahfus oder deren Landsmänner Wael Ghonim und Ahmed Maher.
Als einziger von ihnen äußerte sich am Freitag der Ex-Google-Manager Ghonim: „Herzlichen Glückwunsch an Tawakkul Karman; sie hat uns alle stolz gemacht“, twitterte er. „Unser ultimativer Preis ist eine demokratische arabische Welt, in der die Menschenrechte akzeptiert werden.“ GÄN, DZY