Tödliche Jagd

HASS Enttäuschte Hoffnungen: Amir Hassan Cheheltans „Amerikaner töten in Teheran“

VON INGO AREND

Brennende US-Fahnen, auf den Straßen Teherans reckt der Mob die Fäuste: Der malerische Antiamerikanismus, den die iranischen Medien gern in Krisenzeiten einsetzen, ist schnell als Propaganda durchschaut. Doch was, wenn ein unverdächtiger Iraner in dieselbe Kerbe haut? Was will Amir Hassan Cheheltan damit sagen, dass er gleich zu Beginn seines neuen Romans den amerikanischen Vizekonsul Robert Imbrie an einem Sommertag des Jahres 1924 in Teheran Opfer eines Pogroms werden lässt? Dass der Hass auf Amerika doch so eine Art Wasserzeichen der iranischen Psyche ist?

Cheheltan ist hierzulande kein Unbekannter mehr. Zu Recht war er 2009 für seinen Roman „Teheran Revolutionsstraße“ mit Lob überhäuft worden. Selten hat ein Roman die moralische Aushöhlung der iranischen Gesellschaft so vor Augen geführt wie das Werk des 1956 in Teheran geborenen Autors.

Nach dem Sittenbild zielt Cheheltan in seinem neuen Buch mit dem doppelsinnigen Titel „Amerikaner töten in Teheran“ auf die kollektive Psyche seines Landes. In sechs Episoden geht er der – historisch verbürgten – Ermordung von Amerikanern in der iranischen Hauptstadt nach: von der tödlichen Jagd auf Robert Imbrie bis zum Tod seines Großneffen George, der dort 24 Jahre später ebenfalls ermordet wird.

In „Teheran Revolutionsstraße“ gelang es Cheheltan, seine Botschaft ganz in der vertrackten Personenkonstellation und deren schizophrenem Seelenleben aufgehen zu lassen. Mit der Familie Huschmand agiert auch in „Amerikaner töten in Teheran“ ein Sinnbild für die enttäuschten Hoffnungen der Iraner auf Demokratie und Selbstbestimmung: Erst verliert die Familie ihre Angehörigen im Untergrundkampf gegen den Schah, dann in dem gegen die Mullahs.

Leider kommt dem begnadeten Erzähler Cheheltan immer wieder der Journalist Cheheltan in die Quere. Etwa, wenn er den undurchsichtigen Professor Schakiba in einer Hotel-Lounge vor Robert Imbries Nachfahren George dozieren lässt: „Alle in diesem Land wollen Westler werden, sogar diejenigen, die den Westen verabscheuen. Dieser Wunsch, ihn zu vernichten, ist aus abgrundtiefem Hass erwachsen. Sie wissen, dass grenzenloser Neid in Hass umschlägt.“ Wenig später fällt der junge Mann einem Anschlag muslimischer Fanatiker zum Opfer, ein halbes Jahr nach dem Iran-Besuch von US-Präsident Jimmy Carter im Dezember 1977. Mit ihm stirbt seine Geliebte Mina Huschmand.

Im Kern kreist der Roman um den CIA-Staatsstreich gegen den Premier Mossadegh 1953. Aus dem traumatischen Ereignis leitet Cheheltan die Fixierung seines Landes auf einen geliebten Feind ab. Er hantiert aber trotzdem gern mit einem ominösen Nationalcharakter. Seine Protagonisten lässt er das entzündliche Gemüt seiner Landsleute mit Kategorien wie „Irrationalität“ oder „heftige Emotionen und übereilte Beschlüsse“ erklären.

Über diese Widersprüche hilft der Erzähler hinweg: Sein Sarkasmus und sein erbarmungsloser Blick verwandeln Cheheltans Gerüst aus Fakten immer wieder zu reiner Poesie; Schönheit und Schrecken sind ihm zwei Seiten derselben Medaille. Am Ende der Episode über die Absetzung Mossadeghs bricht es zwar wieder aus ihm heraus: „Dieser Amerikaner hatte zwar die unbedeutende Aufgabe erhalten, Iran vor der Gefahr des Kommunismus zu bewahren, dabei aber auch ein orientalisches Ehrengewand, die Geschichten von Tausendundeiner Nacht, die traumhaften Nächte von Schiras, die Rosengärten von Nischapur in den Dreck gezogen und die Iraner mit der Frage zurückgelassen, womit in diesem Land Geschichte geschrieben wurde“. Doch wer auch immer da gesprochen haben mag: Blinden Antiamerikanismus wird man das nicht nennen können.

Amir Hassan Cheheltan: „Amerikaner töten in Teheran“. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. Beck, München 2011, 190 Seiten, 18,95 Euro