: Aus für das Willy-Brandt-Zentrum in Breslau
Die Universität Wroclaw wickelt das Zentrum für Deutschstudien ab – weil es angeblich kein Interesse daran gibt
BRESLAU taz ■ Das Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien, einst Aushängeschild der Breslauer Universität, gibt es nicht mehr. Gestern starb das renommierte deutsch-polnische Forschungszentrum den Verwaltungstod.
Während die Professoren in ihren farbenprächtigen Talaren in die ehrwürdige Aula Leopoldina einzogen, packten auf der gegenüberliegenden Oderseite die letzten der einst zwölf Wissenschaftler am Willy-Brandt-Zentrum ihre Bücher zusammen. „Ich bin enttäuscht“, sagt der Germanistikprofessor Marek Zybura. „Fünf Jahre lang waren wir ein Exzellenzzentrum. Und jetzt macht der Rektor hier alles dicht.“ Auch Krzysztof Ruchniewicz, der Gründungsdirektor des Zentrums, winkt ab. Die Historiker, Germanisten, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler am Willy-Brandt-Zentrum galten Universitätsrektor Leszek Pacholski als zu deutschfreundlich. Mit der Abwicklung des Instituts hat er eine Professorin beauftragt, die kein Wort Deutsch spricht und auf Dolmetscher angewiesen ist.
Zwar haben inzwischen der Stadtpräsident von Breslau, der Wojewode von Niederschlesien und der Wissenschaftsminister Polens eine außerordentliche Rettungsaktion für das Willy-Brandt-Zentrum eingeleitet. Doch ob es ihnen gelingt, den Rektor zum Einlenken zu bewegen, steht in den Sternen. Zahlreichen Wissenschaftlern ist es mit Solidaritätsbriefen aus aller Welt nicht gelungen, das Zentrum zu retten.
Noch wissen die Studenten der prestigeträchtigen Masterstudiengänge Erasmus und Erasmus Mundus nicht, dass sie das geplante Programm am Willy-Brandt-Zentrum nicht absolvieren können. Der mit den Historischen Instituten der Universitäten Leipzig und Wien, dem Willy-Brandt-Zentrum in Breslau und der London School of Economics abgestimmte Masterstudiengang droht zu scheitern. Offensichtlich hat sich der Rektor der Breslauer Universität nicht überlegt, dass er entweder für die Erasmus-Mundus-Stipendiaten ein Notprogramm auflegen muss oder die Uni aus einigen Exzellenzprojekten fliegt.
Seit Pacholski vor zwei Jahren zum Rektor gewählt wurde, schloss der Breslauer Universitätssenat auf seinen Antrag hin bereits ein schlesienkundliches Forschungsinstitut und am letzten Mittwoch auch die deutsch-polnische Sommerschule. Auf Seiten der polnischen Studenten gebe es kein Interesse an der deutsch-polnischen Problematik, so der Rektor. Dass dies daran liegen könnte, dass der neu eingestellte Direktor der Sommerschule einfach keine Programme mehr ausarbeitete, kam keinem der Professoren in den Sinn. So ist die Initiative von Exbundespräsident Johannes Rau nach nur vier Jahren auch schon Geschichte.
Auf der Titelseite des Akademischen Kaleidoskops, der Unizeitschrift Breslaus, ließ sich Pacholski jüngst noch vor dem Brandt-Zentrum feiern: „Mein Wunsch ist, dass es vollkommen wird“. GABRIELE LESSER