„Moderat, aber entschieden“

VORTRAG Ein Historiker erzählt vom KZ-Überlebenden und Diplomaten Stéphane Hessel

■ 77, Historiker, hat an der Uni Bremen Weiterbildung mit dem Schwerpunkt politische Bildung gelehrt.

taz: Herr Wollenberg, das Bändchen „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel war 2010 ein großer Bestseller. Warum?

Jörg Wollenberg: Das kam für mich nicht überraschend. Er konnte wichtige Punkte moderat, aber entschieden ansprechen. Er stand auf der Seite der illegalen Einwanderer, die in Frankreich „Sans Papiers“ heißen. Er nutzte seine Chance, als „Ambassadeur de France“ direkt zum Präsidenten der Republik gehen zu können. Er war ein KZ-Überlebender, dem es darum ging, die Menschenrechte zu verteidigen und der dabei an eine alte Tradition anknüpfte. Es war kein Zufall, dass 2011 mit „Engagiert Euch!“ ein zweiter Appell folgte.

War „Empört Euch!“ ein Erfolg, obwohl oder weil es viele für ein „Pamphlet“ hielten?

Es ist völlig falsch, dass so zu bezeichnen. Es ist der Appell eines alten Mannes, der mit seiner Kritik am Finanzkapitalismus die Probleme früh erkannt hat und heute immer noch aktuell ist. Erfolg hatte das Buch sicher auch, weil viele Medien es aufgriffen und es nur 30 Seiten hat, sich also schnell lesen lässt.

Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Das war 1959, als ich selbst in Paris studierte. Hessel hatte als Anhänger von Mendès France die Befürchtung, dass de Gaulle die IV. Republik abschafft. Er gründete den Club Jean Moulin. Persönlich getroffen hab ich ihn erst 2008, als er schon 90 war. Da kam er zu mir, morgens, mit dem Nachtzug, um mir gleich danach ein vierstündiges Interview zu geben.

Heute geht es um Hessel und „den europäischen Widerstand“ – aber welchen?

Den Widerstand der Franzosen auf Seiten de Gaulles. Hessel wurde damals verhaftet, weil seine Freunde ihn verraten haben und er ins KZ Buchenwald geschickt wurde.  INTERVIEW: JAN ZIER

18 Uhr, Untere Rathaushalle