: Zukünftig auch drei Eltern für ein Kind
GROSSBRITANNIEN Um eine seltene, unheilbare Krankheit zu verhindern, sollen genetische Manipulationen erlaubt werden. Das Mitochondrium der mütterlichen Eizelle wird durch das einer Spenderin ersetzt
AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK
Das britische Unterhaus hat den Weg für Kinder mit drei Eltern geebnet. Die Abgeordneten stimmten am Dienstagabend mit 382 zu 128 Stimmen für ein entsprechendes Gesetz. Alle Parteien hatten ihren Abgeordneten gestattet, frei nach ihrem Gewissen zu entscheiden, ein Fraktionszwang wurde nicht verhängt. Mit einer neuen Technologie, die durch das Gesetz legalisiert wird, soll verhindert werden, dass Mütter bestimmte mitochondriale Erbkrankheiten an ihre Kinder weitergeben.
Das Mitochondrium befindet sich außerhalb des Zellkerns und enthält winzige Mengen DNS. Enthält diese DNS einen Fehler, kann es beim Kind zu schweren Erkrankungen wie Leberversagen, Blindheit oder Hirnschäden führen. In Großbritannien sind rund hundert Kinder im Jahr davon betroffen, aber nur in zehn Prozent der Fälle sind die Auswirkungen dramatisch und führen zum frühen Tod. Eine Heilung gibt es für mitochondriale Krankheiten nicht. Das neue Gesetz soll erlauben, das Mitochondrium der mütterlichen Einzelle durch das Mitochondrium einer Spenderin zu ersetzen. Da diese Erbkrankheiten nur durch die Mutter weitergegeben werden, kann die Prozedur vor oder nach der Befruchtung vorgenommen werden. Theoretisch hat das Baby dann drei Eltern, aber 99,8 Prozent des genetischen Materials stammen vom Vater und der Mutter. Das Gesetz sieht vor, dass die Spenderin anonym bleibt.
Während die Eizelle rund 20.000 Gene enthält, sind im Mitochondrium nur 37 Gene enthalten. Sie sorgen für die Energie der Zelle und werden deshalb auch als „Zellbatterien“ bezeichnet. Sie beeinflussen nicht das Aussehen, die Intelligenz oder Persönlichkeit des Kindes. Allerdings ist das Gebiet noch nicht restlos erforscht. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass nicht doch irgendwelche Eigenschaften durch das Mitochondrium weitergegeben werden. In Tierversuchen gab es aber keine Probleme.
Großbritannien, das auch bei der künstlichen Befruchtung Vorreiter war, ist das erste Land weltweit, das diese Art von Gentechnologie zulassen will. Kritiker warnen zwar vor „Designer-Babys“, doch der Zellkern darf nach wie vor nicht verändert werden. Dennoch argumentierte die Tory-Abgeordnete Fiona Bruce, das Gesetz sei sowohl unethisch als auch unsicher. Sie sagte: „Sollen wir uns damit zufriedengeben, zwei menschliche Leben zu zerstören, um ein drittes zu schaffen?“ Auch die katholische Kirche ist dagegen, da bei der Prozedur ein befruchtetes Ei zerstört werde könnte. Außerdem verwässere es die Elternschaft, sagte ein Sprecher der Kirche. Mehrere Abgeordnete beschwerten sich darüber, dass die Zeit für die Debatte mit 90 Minuten zu kurz bemessen sei. Jene Ellison, die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, antwortete, das Thema der mitochondrialen Spenden sei seit Jahren genauestens überprüft worden.
Premier David Cameron ist ein Verfechter der neuen Technologie. Er und seine Frau Samantha hatten einen Sohn, der 2006 im Alter von sechs Jahren an einer seltenen Form von Epilepsie und Zerebralparese gestorben ist. Der Labour-Abgeordnete Andrew Miller, Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Technologie, sagte, das Gesetz sei „im überwältigenden Interesse“ der Familien, die unter mitochondrialen Krankheiten leiden. „Natürlich müssen wir die Risiken abwägen“, sagte er, „doch das muss auf vernünftige und ausgewogene Art geschehen.“
Das Gesetz muss Ende des Monats noch vom Oberhaus abgesegnet werden, doch es ist nicht zu erwarten, dass die Lords und Ladys es zu Fall bringen. Segnen sie es ab, kann die Technologie im Herbst eingesetzt werden.