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Archiv-Artikel

Einer, der nicht wegschauen wollte

Als er Gammelfleisch in eine Wurstfabrik bringen musste, rief Lkw-Fahrer Miroslav Strecker (49) die Polizei – und deckte damit einen bundesweiten Skandal auf. Dafür wurde er jetzt geehrt FOTO: REUTERS

An jenem Donnerstag im August kam dem Lkw-Fahrer Miroslav Strecker einiges komisch vor: Er hatte K3-Fleisch geladen. „K3“, das bedeutet: nicht zum Verzehr geeignet. Leber aus Neuseeland war dabei, drei Jahre alt. In Deutschland darf daraus nur Hundefutter oder Biogas gemacht werden. Strecker aber sollte die Ware zur Firma Wertfleisch ins bayrische Wertingen bringen. „Als ich auf dem Firmenschild las: ‚Fleisch- und Wurstfabrik‘, hat mich das stutzig gemacht. Was sucht K3-Fleisch in einer Wurstfabrik?“

Noch komischer wurde es, als der Fleischhändler Wolfgang Lermer die Fracht in Empfang nahm und sofort die Etiketten von den Paletten abriss.

Strecker wusste: Die Sache stinkt! Strecker bewies Mut, schaute nicht weg, sondern rief die Polizei. Damit deckte der Lkw-Fahrer einen weitreichenden Gammelfleischskandal auf.

Auch gestern war Miroslav Strecker wieder komisch zu Mute: Bis zu jenem 23. August war er ein ganz normaler Trucker, seit 28 Jahren auf der Straße. Jetzt stehen Herr und Frau Strecker aus dem brandenburgischen Calau im Bundesministerium für Verbraucherschutz. Kameras klicken. Herr Strecker soll ausgezeichnet werden.

Er wisse nicht genau, was er sagen könne. Schließlich habe er diesen Exklusivvertrag mit RTL. Strecker erzählt trotzdem: Wie er sich am Tatort nichts habe anmerken lassen. Wie er kurz überlegt habe, ob er nicht erst bei seiner Firma anrufen soll. Schließlich würde er einen Kunden verpfeifen. Nein, Döner möge er nicht. Die Kameras blitzen. Verbraucherminister Horst Seehofer überreicht Strecker eine goldene Plakette für couragiertes und uneigennütziges Verhalten. Nein, die goldene Plakette sei nicht extra für Herrn Strecker erfunden worden, sagt Seehofer. Er sei halt der Erste, der sie kriegt. „Unsere Number one“, sagt Seehofer und strahlt.

Bevor Strecker Kraftfahrer wurde, war er Fleischer. „Dass das Fleisch nicht für Menschen geeignet war, konnte aber jeder sehen, der lesen kann.“ Den anderen Fahrern, die Fleisch nach Wertingen gebracht haben, sei es wohl egal gewesen. „Die denken, das Fleisch bleibt in Bayern. Muss ich ja nicht essen.“

Aber das Fleisch blieb nicht in Bayern. Bevor Strecker den Skandal aufdeckte, sind bereits 100 Tonnen K3-Fleisch an Berliner Dönerbuden verkauft worden. K3-Fleisch, das sind Innereien, Geschlechtsorgane oder Schweineblut. Das ist eklig, macht aber nicht krank. Das Fleisch aus Wertingen war aber nicht nur alt und für den Verzehr ungeeignet; nach Stern-Informationen soll es zudem teils mit Salmonellen verseucht gewesen sein. Einige Berliner Dönerkunden werden sich ganz schön komisch gefühlt haben. NICOLE BASEL