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Archiv-Artikel

Ein freundschaftliches Verhältnis

Beim Fernsehen kam dem Hamburger Designer und Künstler Richard Wistrach eines Tages die Kunstfigur Magdaläna in den Sinn. Seitdem frisst ihm die ukrainische Dame mit der fiktiven Lebensgeschichte die Haare vom Kopf, sagt Wistrach. Aber er erlebt mit ihr auch die schönste Zeit in seinem Leben

Es soll Magdaläna auf Buttons und Frühstückbrettchen geben, auf Schirmmützen und in Bilderbüchern

von Klaus Irler

Für Magdaläna Kotlatcszkowa sind diese Tage nur bedingt lustig. Ständig kommen neue Leute durch die Tür, bauen sich vor ihr auf, grinsen blöd und fragen, ob sie sie mal anfassen dürfen. Woher sie kommt, wollen die Leute wissen, und was sie hier in Hamburg vorhat. Dann holen sich die Leute einen Cocktail, und dazwischen hüpft dieser Richard herum, grinst auch die ganze Zeit und erzählt zum x-ten Mal, wie toll er die Magdaläna findet und wie glücklich er ist, dass sie in sein Leben getreten ist.

Magdaläna und Richard haben also etwas miteinander. Und ein Grund, warum sich die Leute dafür interessieren, ist: Magdaläna ist eine lebensgroße Puppe. Richard dagegen heißt mit Nachnamen Wistrach und ist Kostümschneider, Designer und Künstler. Anzutreffen sind beide derzeit in seinem Atelier, das Wistrach im Rahmen des derzeitigen Design-Festivals Hamburg zum Ausstellungsraum umfunktioniert hat.

Denn Wistrach will Magdaläna bekannt machen. Sie sei eines Tages einfach in seinem Kopf gewesen, sagt er, beim Fernsehen angesichts all der B- und C-Promis. Also suchte er ein paar Materialien zusammen, Wolle, Schaumstoff, alte Handtücher, Topfkratzer und Perlenketten. Daraus schneiderte und bastelte er Magadaläna. Das war vor gut drei Jahren.

Danach gab Wistrach seiner Figur eine Geschichte. Die geht in ihrer Kurzfassung so: Magdaläna Kotlatcszkowa ist ein Findelkind, in der Ukraine geboren und aufgewachsen mit dem Traum, professionelle Eiskunstläuferin zu werden. Das aber funktioniert nicht, weil sie dafür zu üppig gebaut ist. Also geht sie nach Deutschland und findet dort Unterschlupf bei dem gebürtigen Braunschweiger Richard Wistrach, der 43 Jahre alt ist und in Hamburg lebt und arbeitet. „Sie frisst mir die Haare vom Kopf“, sagt Wistrach. „Aber es ist die schönste Zeit in meinem Leben.“

Wistrach investiert in die Puppe, worin er seinerzeit als Kostümschneider am Staatstheater Braunschweig ausgebildet worden ist. Außerdem investiert er, was er danach bei seinem Kommunikationsdesign-Studium in Hamburg gelernt hat. Und er investiert, was er als freier Grafiker und Designer für die Verlagshäuser Springer, Gruner & Jahr und Bauer verdient. „Am liebsten möchte ich keine anderen Sachen mehr machen müssen“, sagt Wistrach. Kürzlich hat die Filmproduktionsfirma Universal Interesse an Magdaläna gezeigt. „Aber ich versuche, keine Erwartungen zu haben.“

Magdalänas Lebensgeschichte gibt es bereits in einer aufwändig collagierten Bilderfolge im Internet zu sehen. Und gedruckt auf Postkarten. Außerdem soll es sie auf Buttons, Frühstückbrettchen, Bilderbüchern und Schirmmützen geben. Das Konzept ist vergleichbar mit dem der allgegenwärtigen Springmaus Diddl: Es geht darum, eine Kunstfigur mit Merchandising-Artikeln zu vermarkten, ohne dass die Figur zuvor in einem Film, Comic oder Buch aufgetreten wäre.

Im Vergleich zu Diddl allerdings ist Magdaläna deutlich subversiver. Erstens hängen Magdalänas Mundwinkel immer leicht nach unten, sie hat latent schlechte Laune – man könnte beinahe Mitleid haben. Zweitens wirkt sie mit ihrem tantigen Auftreten durchaus resolut – nur niedlich ist sie damit nicht. Und drittens taucht sie nicht nur in einer Kunstwelt auf, sondern auch draußen in der Realität: Wistrach geht mit Magdaläna raus auf Felder, auf Dächer und in den Hamburger Hafen und fotografiert sie. Scheinbar völlig deplaziert sitzt Magdaläna dann da, fremd und allein, als eine, die in die Welt geworfen wurde. Was traurig ist – in ihrem Fall aber eben auch komisch.

Zumal Magdaläna von Zeit zu Zeit skurrile Gesellschaft bekommt. Wistrach hat Vögel aller Arten gebastelt, eine Sumpfuferschnepfe zum Beispiel und ein Perlhuhn, die wie Magdaläna Schmuck tragen, tantig frisiert sind und wirken, als hätten sie lackierte Krallen. Mit Magdaläna teilen sie den Gesichtsausdruck, denn die Geschichte geht, dass es sich bei dem Federvieh um ihre ukrainische Vogelzucht handelt. Wistrach zeigt sie in seinem Hamburger Atelier unter dem Titel „Piepshow“. Und stellt in Aussicht: „Zu zwitschern gibt es einen ukrainischen Kotlatcsz-Cocktail.“

„Ich kann mich nicht mehr stoppen“, sagt Wistrach, der Magdaläna neben Geld auch seinen Urlaub opfert. Das genaue Verhältnis zwischen ihm und ihr aber sei nicht geklärt. Nur so viel: Einen Mann hat Magdaläna keinen. „Und unser Verhältnis“, sagt ihr Schöpfer, „ist rein freundschaftlich.“

Atelier Richard Wistrach, Pastorenstraße 12, Hamburg. Geöffnet heute von 14 bis 21 Uhr. Weitere Informationen: www.magdalaena.de