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Archiv-Artikel

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LIGA-KELLER Mit drei Toren gegen einen erschreckend schwachen SC Freiburg schießt sich Borussia Dortmund auf Platz 16 und irgendwie aus der Krise. Zumindest glauben beim BVB alle ganz fest daran

AUS FREIBURG CHRISTOPH RUF

Wer am Samstagabend um halb sieben an der Freiburger Haupttribüne vorbeikam, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Heimspiele von Borussia Dortmund im Schwarzwaldstadion ausgetragen werden. Nur vereinzelt standen Menschen in roten SC-Schals um die Absperrungen herum. Sie gingen in der Masse der schwarz-gelben Feiergemeinde unter.

Schon während des Spiels hatten die 4.000 Dortmunder Fans, die an Karten in der Fremde gekommen waren, das Auswärts- zum Heimspiel gemacht, nun wollten sie am Mannschaftsbus zusammen mit den Spielern feiern, die in Freiburg etwas Historisches vollbracht hatten: Nach zuletzt 17 Toren in 19 Spielen hatten sie gegen einen erschütternd schwachen SC Freiburg gleich drei Treffer erzielt. Es war der erste Auswärtssieg seit 162 Tagen. Und der hatte einen Sprung von Platz 18 auf Platz 16 zur Folge. Kein Wunder also, dass Mats Hummels, Roman Weidenfeller und Kollegen Autogramme schrieben, bis alle Eddings versiegt waren.

„Vieles geht natürlich noch besser. Aber es war der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagte Jürgen Klopp, der schon bei der Pressekonferenz die Utensilien eines örtlichen Fotografen signieren durfte. „Durch die frühe Führung haben wir schon in der Anfangsphase das Freiburger Selbstbewusstsein erschüttert.“ Zweifachtorschütze Pierre-Emerick Aubameyang sprach von einem „Kopfproblem“, das nun gelöst sei. „Der Trainer hat in der Ansprache die richtigen Worte gefunden, wir hatten bei allen Aktionen immer den Gedanken, positiv zu sein.“

Ob bei der Borussia nun tatsächlich der „Knoten geplatzt“ ist, wie viele Spieler wortgleich betonten, muss allerdings abgewartet werden. Zu schwach war der SC, als dass man seriöse Aussagen über die Qualität des BVB treffen könnte. Defensiv waren sie nicht gefordert – außer bei einem halbherzigen Distanzschuss von Oliver Sorg (43.) blieb Keeper Weidenfeller beschäftigungslos. Das Mittelfeld, in dem Ilkay Gündogan eine starke Partie bot, gehörte gar ganz dem BVB, der so problemlos zu seinen Treffern kam. Das 1:0 durch Marco Reus legte Mike Frantz mit einem kuriosen Fehlpass auf die Füße von Aubameyang auf (9.). Bei dessen beiden Treffern (56./72.) waren die behäbigen SC-Abwehrspieler nicht in der Lage, den schnellen Angreifer am Schuss zu hindern. „Wir hätten uns nicht beschweren können, wenn wir noch höher verloren hätten“, gab SC-Trainer Christian Streich zu. Und Verteidiger Sorg ärgerte sich, dass „wir die Dortmunder jetzt aus dem Keller herausgeholt haben.“

Auch für Christian Streichs persönliche Bilanz war der Verlauf des Nachmittags deprimierend. Noch nie in seiner Trainerkarriere hat Freiburgs Coach auch nur einen einzigen Zähler gegen den BVB geholt. Klopp dürfte die individuelle Bilanz des alemannischen Kollegen hingegen höchstens insofern interessieren, als sein Team auch in dieser Spielzeit sechs von bislang 19 Zählern gegen den netten Sportklub geholt hat.

Kein Wunder also, dass die Rede dann irgendwann auch noch auf „mentale Barrieren“ und „psychische Blockaden“ kam. Mentale Defizite hatte Klopp offenbar als Hauptursache für den bisherigen Saisonverlauf ausgemacht. „Gegen Augsburg sind natürlich ein paar Dinge falsch gelaufen. Aber das lag vor allem am fehlenden Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.“ Nichts dringender also, als seinen Spielern ein Recht auf Freude zuzugestehen: „Ich habe den Jungs schon vor dem Spiel gesagt, dass sie sich richtig freuen und nicht nur einfach erleichtert sein sollen, wenn sie heute gewinnen“, berichtete Klopp. „Wir waren ja die einzige Mannschaft, die sich über gar nichts mehr freuen durfte.“ Zu sehr habe das Team in den vergangenen Monaten die Schultern hängen lassen. „Wir haben bei der Aufarbeitung des Augsburg-Spiels gesagt, dass es nicht reicht, wenn ich an die Mannschaft glaube. Die Spieler müssen das endlich auch tun.“ Am Samstag hat der BVB-Tross Selbstbewusstsein getankt. Und damit möglicherweise die Trendwende geschafft, wie ihr Trainer hofft. „Ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass wir nach diesem Spiel die nächsten vier automatisch gewinnen. Aber es ist nicht ausgeschlossen.“