: Reden hilft
STUDIE Bücher fördern den Spracherwerb – schon bei Säuglingen
„Laufen lernt jedes Kind von alleine, sprechen nicht!“, ist Martin Raguse überzeugt. Der Kinderarzt hat in Hannover über 20 Jahre mehr als 1.500 Mädchen und Jungen in ihrer Sprachentwicklung beobachtet. Fazit: „Sprache braucht immer ein Vorbild. Versäumnisse in den ersten beiden Jahren können später nicht mehr ausgeglichen werden.“
Raguse ist Co-Autor der Broschüre „Gib mir ein A“ des Vereins Lesestart Hannover zum Spracherwerb von Kindern. Darin wird Eltern empfohlen, ihr Baby ab dem ersten Tag zunächst mit einfachen und kurzen Sätzen anzusprechen, den nahen Blickkontakt zu suchen, zu singen, vorzulesen, das Verhalten des Neugeborenen zu kommentieren – aber nichts zu üben.
In einer Studie der Uni Hannover gaben 40 Prozent der 6.000 befragten Eltern an, die Broschüre bekommen zu haben. Nach einem Jahr wurden die Eltern gefragt, wie lange sie sich mit ihrem Kind Bilderbücher anschauten – 14 Prozent der informierten Eltern machten dies nie, dagegen lag der Anteil bei den uninformierten Eltern bei 25 Prozent. Nach zwei Jahren sprachen vier Prozent der Kinder der informierten Eltern weniger als zehn Wörter, bei den uninformierten Eltern waren es 12,2 Prozent. 11,2 Prozent der zweiten Gruppe bildeten Ein-Wort-Sätze, in der ersten Gruppe lag dieser Anteil bei der Hälfte – die Kinder der informierten Eltern sprachen im Schnitt deutlich längere Sätze.
In der Broschüre heißt es: „Empfehlenswert sind für die Allerjüngsten textile Bücher, die knistern, rascheln und verschiedene Tasterfahrungen ermöglichen.“ Abbildungen zeigen Motive wie ein Kuscheltier, einen Ball oder ein Bett. Kunststoffbücher können mit in die Badewanne.
Ab dem dritten Monat bieten sich handliche Bilderbücher aus Pappe an, die etwa Tiere, Fahrzeuge und Spielgegenstände in klaren Farben darstellen. Zu den Ratschlägen gehören auch Tipps wie „Wichtig für das Vorlesen ist Ihre eigene innere Ruhe“ und „Gut ist es, wenn Sie mehrmals in der Woche Bilderbücher anschauen und vorlesen.“
Kinderarzt Raguse weiß, dass die motorische Entwicklung kleiner Kinder von der Umwelt häufiger beobachtet wird als die sprachlichen Fähigkeiten. Er empfiehlt, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und verweist auf seine eigene Tochter, die erst mit 25 Monaten zu laufen begann – Abweichungen von der Norm, nach der die meisten Kinder zwischen neun und 18 Monaten laufen, sei kein Problem. Nur bei Rückschritten in der Entwicklung sollte ein Arzt kontaktiert werden. JOACHIM GÖRES