IM SPIELEPARADIES : Nashorn zum Hüpfen
„Dank gilt meinen ungeborenen, ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen.“ So hatte es Fritz Teufel, seines Zeichens Spaßguerilla-Koryphäe und Pudding-Attentäter, einst formuliert. Man muss kein aktiver Kinderhasser zu sein, um in dieser Aussage das ein oder andere Fünkchen Wahrheit zu entdecken. Besonders wenn man in einem dieser Indoor-Erlebniswelten für eindeutig zu klein geratene Menschen zwischen vier und acht Jahren sitzt und darauf wartet, dass der kleine Bruder endlich genug davon hat, auf einem bunt angemalten Knautschgummi-Nashorn herumzuturnen.
Ein wenig MDMA würde vielleicht helfen, um das ganze amüsant zu finden. Mann kennt das. Bällebad, Röhrenrutschen, vollgekotzte Erziehungsberechtigte. Hier werden die Klischees aus schlechten Romanen oder ausgelutschten Hassartikeln über Hipster-Mütter aus Prenzlauer Berg zur Genüge erfüllt.
Der Gnom hüpft immer noch auf dem Rhinozeros. Kann sich wohl nur noch um Stunden handeln.
Ich mache mir langsam Sorgen. Warum macht dem das so viel Spaß? Immerhin haben wir alle in unserer Familie eher ein Buch denn eine Schippe zur Hand genommen. Hatten wir als Kleinkinder die Wahl zwischen Achterbahnfahren und „Peter und der Wolf“ hören, erklang kurz darauf die vertraute Oboe aus den Boxen. Der Junge muss vertauscht worden sein.
„Gehört der zu ihnen?“ Ein Spieleparadies-Mitarbeiter tippt mir auf die Schulter und hält meinen relativ deprimiert dreinschauenden Bruder an der Hand. „Der saß alleine im Flur und hat aus dem Fenster geguckt.“ Verwirrt betrachte ich den Jungen auf dem Nashorn, der offenbar einfach nur den gleichen Spiderman-Pullover trägt, greife erleichtert nach meinem Blutsverwandten und verlasse beruhigt und voller Stolz den Ort des Schrecken. JURI STERNBURG