: Nett und konsequent gegen dick
Groß, blond und nett ist Donald Tusk, der 50-jährige Danziger, der die Wahlen am Sonntag gerne gewinnen und dann Polen regieren würde. Nach neuesten Umfragen stehen seine Chancen gar nicht schlecht. Auf bis zu 40 Prozent ist die Zustimmung in den letzten Tagen gestiegen. Im Fernsehduell mit Jarosław Kaczyński, dem nationalkonservativen Regierungschef Polens, konnte Tusk mit Schlagfertigkeit, Witz und Angriffslust punkten. Diese Eigenschaften vermissten die Wähler bislang bei dem Parteivorsitzenden der liberalkonservativen Bürgerplattform. Psychologen und Imageberater müssen lange mit ihm geübt haben, kommentierten politische Beobachter den unerwartet spannenden Schlagabtausch. Als „guter Junge von nebenan“, der alten Damen über die Straße helfe und dem Nachbarn die Gartenschere leihe, wirkte er nicht gerade wie ein verantwortungsvoller Regierungschef.
Das hatte Tusk vor zwei Jahren schon einmal bitter erfahren müssen. Damals schien der Sieg so nahe wie nie zuvor. Sogar ein Doppelsieg in den aufeinanderfolgenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen schien möglich. Doch Tusk und seine Bürgerplattform hatten die Spielregeln der Mediendemokratie noch nicht verinnerlicht. Den Wahlkampfspots der nationalkonservativen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) konnten sie nichts entgegensetzen: Wenn Tusk an die Macht komme, werde sich der Kühlschrank leeren, hieß die Botschaft. Kein Fleisch mehr, keine Butter, kein Käse und keine Milch. Dies alles könnten sich die meisten Polen nach der Steuerreform Tusks nicht mehr leisten. Die Erläuterung Tusks, dass durch den einheitlichen Steuersatz alle anderen Steuern sinken und somit alle anderen Waren billiger würden, kam bei den Wählern kaum noch an. Der sich leerende Kühlschrank jagte ihnen einen zu großen Schrecken ein.
Tusk Vorsprung in den Umfragen schmolz in nur wenigen Tagen zusammen. Doch erst die „Großvater“-Geschichte versetzte ihm einen Stoß, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Tusks Großvater, behauptete Jacek Kurski von der PiS, habe im Zweiten Weltkrieg freiwillig in der Wehrmacht gedient. In der Familie sei deutsch gesprochen worden, und auch Donald Tusk sei ja bekannt für seine Deutschfreundlichkeit. In Polen, wo die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg immer noch lebendig ist, konnte dies nur eines bedeuten: Tusk war ein Verräter wie dessen gesamte Familie. Die Erklärungen des Präsidentschaftskandidaten, dass die Familie seit Jahrhunderten in Danzig ansässig und daher zweisprachig sei, dass beide Großväter in den KZs Stutthof und Neuengamme bei Hamburg gelitten hatten, der eine 1944 von den Nazis zwangseingezogen wurde, aber nach nur wenigen Monaten desertieren und sich dem polnischen Widerstand anschließen konnte, verfing nicht mehr. Tusk und seine Bürgerplattform verloren 2005 beide Wahlen.
Tusk wurde 1957 in einer kaschubischen Familie in Danzig geboren, studierte Geschichte und gab später rund 200 Publikationen heraus, die zumeist die wechselvolle Geschichte Danzigs und die Kultur der Kaschuben zum Thema hatte. Als General Jaruzelski 1981 das Kriegsrecht über Polen verhängte, schloss sich Tusk dem Untergrund an und verdiente seinen Lebensunterhalt als Industrie-Fensterputzer. Nach 1989 engagierte er sich mehr oder weniger erfolgreich in verschiedenen Parteien, bis er 2001 die Bürgerplattform gründete. Tusk ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit spielt er leidenschaftlich gern Fußball, hört Jazz und kocht für seine Gäste.
Jung, dynamisch, gut aussehend – das ist der Vorzeige-Sunnyboy der Linken in Polen. Wojciech Olejniczak ist gerade mal 33 Jahre alt und schon ein Politprofi. Unter seiner Leitung stieg das Parteienbündnis „Linke und Demokraten“ (LiD) zur drittstärksten Partei Polens auf. Mit bis zu 15 Prozent Zustimmung können die Linksdemokraten am kommenden Sonntag bei den Parlamentswahlen rechnen. Übermäßig viel ist das nicht, vor allem wenn man sich den Erdrutschsieg der Linken mit über 40 Prozent Zustimmung im Jahre 2001 vor Augen hält. Doch die damalige Regierung unter Jerzy Miller ging in die Geschichte des demokratischen Polens als korrupteste Regierung aller Zeiten ein. Ein Skandal jagte den nächsten. Nur einen Tag nach dem Beitritt Polens zur EU im Mai 2004 trat Premierminister Miller zurück und übergab Marek Belka die Leitung der Regierungsgeschäfte bis zum Ende der Legislaturperiode.
Das war Olejniczaks große Stunde. Denn es war klar, dass die Partei, wenn sie überleben wollte, einen radikalen Generationswechsel vollziehen musste. Die alten Kader aus der sozialistischen Zeit Polens mussten endgültig aus den Führungsreihen der SLD, des Bündnisses des demokratischen Linken, verschwinden. Mit jugendlichem Elan übernahm der 31-Jährige die Führung der kurz vor dem Absturz stehenden Partei. Als neues Zugpferd sollte er Polens Linke retten. „Zu Zeiten der kommunistischen Volksrepublik habe ich vor allem Fußball gespielt“, erzählte er und gewann so das Vertrauen eines Teils der Wähler.
Zunächst ging es nur darum, die völlig abgewirtschaftete Partei überhaupt wieder ins Parlament zu bringen und nicht an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Das gelang über Erwarten gut. Die SLD mit Olejniczak an der Spitze kam 2005 auf immerhin 11 Prozent. Da nun die Scheinwerfer auf die rechtspopulistische Regierung und deren nicht minder zahlreiche Skandale gerichtet waren, konnte Olejniczak die Zeit nutzen, um seinen Doktor an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Warschau zu machen und die Partei weiter zu verjüngen. Vom alten „Betonflügel“ hat heute kaum noch jemand etwas zu sagen in der SLD. Konsequent ging er auf die früheren Gegner der Partei zu. Seinem Satz „Ich will eine starke Mitte-links-Partei gründen“ ließ er Taten folgen. Jerzy Miller, den ehemaligen Parteichef, ließ er kühl abblitzen, als dieser um einen Listenplatz für die Wahlen am Sonntag bat. Miller gab daraufhin sein Parteibuch zurück, was die Reformlinke mit großer Erleichterung aufnahm. Die SLD kann nun glaubwürdig neu durchstarten, zusammen mit den Demokraten, die den linken Flügel der früheren Freiheits- und Gewerkschaftsbewegung Solidarność repräsentieren.
Olejniczak ist 1974 in einem Dorf bei Łowicz geboren, westlich von Warschau. Seine Eltern bauen dort auf 24 Hektar vor allem Obst, Beeren und Pilze an. Anders als die beiden Brüder interessierte er sich bereits früh für Politik und engagierte sich erst in der Landjugend, der Jugendfeuerwehr, dem Studentenparlament und schließlich im Wahlkampf Präsident Kwaśniewskis in Warschau. Obwohl Olejniczak ein begeisterter Traktorfahrer ist und auch gerne auf dem Land arbeitet, will er keinen eigenen Hof führen. Seine Welt ist schon seit Jahren Warschau. Dort lebt er mit seiner Frau und zwei Kindern. Wenn er Zeit für ein bisschen Entspannung findet, wandert er gerne, spielt Fußball oder Tennis.
Klein, dick und katholisch, so inszeniert sich Polens Regierungschef Jarosław Kaczyński gerne in seiner Wahlkampagne. Bei seinen Wählern kommt das gut an. Bis zu 36 Prozent wollen ihm und seiner nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in den Wahlen am Sonntag ihre Stimme geben. Es sind zumeist Bauern und die Millionen Radio-Maryja-Hörer, die übers ganze Land verteilt sind und den antisemitischen Radioprediger Tadeusz Rydzyk für eine moralische Autorität halten. Doch kaum ein Politiker weckt bei den Polen so heftige Emotionen wie Jarosław Kaczyński. Seine nationalkonservativen Anhänger bewundern den 58-jährigen Regierungschef, weil er sie aus dem politischen Abseits an die Macht geführt hat. Seine Gegner aus dem liberalen und sozialdemokratischen Lager verabscheuen den kleinen Mann mit dem runden Gesicht so sehr, dass sie ihn gelegentlich sogar mit Stalin vergleichen.
In der Volksrepublik Polen vor 1989 gehörte der Jurist nicht gerade zu den Solidarność-Kämpfern der vordersten Front. Seine Dissidenten-Akte enthält nur ein paar Seiten, anders als die des damaligen Arbeiterhelden der Danziger Werft Lech Wałęsa oder die des Bürgerrechtlers Adam Michnik. Kaczyński aber hält die beiden Galionsfiguren des polnischen Freiheitskampfes für Agenten des kommunistischen Geheimdienstes und Profiteure der von ihm gehassten III. Republik. Kaczyński will diese III. Republik, die 1989 auf den Trümmern des kommunistischen Systems entstand und den Polen Freiheit, wachsenden Wohlstand und die Mitgliedschaft in der EU und Nato brachte, aus dem Gedächtnis der Polen streichen. Sie habe vor allem Korruption hervorgebracht, Vetternwirtschaft und Geheimdienstseilschaften. Mit einer „moralischen Revolution“ müsse das Land „gesäubert“ werden und die IV. Republik entstehen. Die Außenminister Polens hätten 17 Jahre lang „Politik auf den Knien“ betrieben. Damit müsse nun endlich Schluss sein. Polens Interessen müssten in der EU und insbesondere gegenüber den alten Feinden Deutschland und Russland „hart und rücksichtslos“ durchgesetzt werden.
Viele Freunde haben sich Jarosław und sein Bruder Lech Kaczyński, der 2005 überraschend zum Staatspräsidenten Polens gewählt wurde, damit im Ausland nicht gerade gemacht. Aber das stört die Kaczyńskis nicht besonders. Im Gegenteil: Sie halten dies für den Beweis, dass die Polen international „endlich ernst genommen“ würden. Dabei schreckt der dominante Zwilling Jarosław auch nicht davor zurück, seinen Bruder zum Gespött der EU zu machen. Beim letzten EU-Gipfel in Brüssel war zwar Lech als Präsident Polens vor Ort, doch die entscheidenden Verhandlungen führte sein Bruder Jarosław in Warschau per Telefon und präsentierte sich in Fernsehansprachen.
Jarosław und Lech Kaczyński wurden 1949 in Warschau geboren. Die Eltern, die beide 1944 im Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzungsmacht gekämpft hatten, erzogen die Söhne im Hass auf Deutsche und Russen zu „aufrechten polnischen Patrioten“. Beide schlossen ihr Jurastudium mit einer Doktorarbeit ab. Doch während es Bruder Lech zum Professor brachte, heiratete und schon zweifacher Großvater ist, lebt Jarosław Kaczyński bis heute als Junggeselle bei seiner Mutter und lässt auch das Gehalt auf ihr Konto überweisen. Es könnte ihm ja sonst jemand Geld schicken und behaupten, er habe sich bestechen lassen, sagte er zur Erklärung.