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Archiv-Artikel

Aufgestanden aus CDU-Ruinen

WAHL Der AfD gelingt der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft – auch auf Kosten der darniederliegenden CDU

VON ANJA MAIER UND SABINE AM ORDE

BERLIN taz | Sie können es einfach nicht lassen. Kaum war sicher, dass die Alternative für Deutschland (AfD) den Sprung in die Hamburger Bürgerschaft und damit in das erste westdeutsche Landesparlament geschafft hat, ging der Richtungsstreit der Parteispitze in eine neue Runde.

„Der Erfolg der AfD in Hamburg hätte ohne die öffentliche Wahrnehmung einer zu großen Nähe zu Pegida noch überzeugender sein können“, kritisierte der Wirtschaftsliberale Hans-Olaf Henkel noch am Wahlabend via FAZ. Alexander Gauland, Nationalkonservativer und einer der ganz besonderen Pegida-Versteher der Partei, kofferte umgehend zurück: Henkels Analyse sei „sehr kühn und sehr daneben“. Eine Umfrage vom Sonntag ergab: Fast drei Viertel aller AfD-WählerInnen bekunden „Verständnis für Pegida-Märsche“.

Am Montagmorgen, bei der Pressekonferenz in Berlin, bemüht sich die nahezu komplett angereiste Parteiführung zunächst um Einigkeit. Jörn Kruse, der Hamburger Spitzenkandidat, spricht von einem „erfreulichen Wahlsieg“ angesichts von „massivem Gegenwind“. Linksradikale hätten rund 15.000 AfD-Plakate zerstört oder gestohlen, ein Teil der Medien habe sich bemüht, „die AfD runter- und die FDP hochzuschreiben“.

Doch dann ist es auch schon vorbei mit der Einigkeit: Gewonnen habe die AfD, so Kruse, als „liberale Partei“. Die AfD müsse für die Zukunft berücksichtigen: „In Deutschland werden rechte Parteien nicht gewählt.“

Kruse hatte in Hamburg auf eine Doppelstrategie gesetzt: Gemeinsam mit Henkel präsentierte er die AfD wirtschaftsliberal, setzte aber auch auf die Themen Flüchtlinge, Islam und Innere Sicherheit, markige Sprüche inbegriffen. Und dann gab es ja noch Dirk Nockemann, der 2003 – damals für die Schill-Partei – ein kurzes Gastspiel als Hamburger Innensenator gegeben hatte, für die wirklich deftigen Auftritte.

Das passt zur Einstellung der AfD-WählerInnen: Fast 60 Prozent meinen, Hamburg habe zu viele Flüchtlinge (alle: 23 Prozent), 42 Prozent empfinden Flüchtlinge im Alltag als Problem (alle: 11 Prozent).

Mit ihrer Doppelstrategie holte die AfD 6,1 Prozent. Kruse, Nockemann und sechs weitere AfDler werden künftig in der Bürgerschaft sitzen. WählerInnen gewann die AfD von allen Parteien, selbst Linkspartei und Grünen knöpfte sie je 1.000 Stimmen ab. 8.000 der AfD-WählerInnen hatten bei der letzten Bürgerschaftswahl gar nicht gewählt, 9.000 solche Parteien, die den Einzug nicht schafften. 7.000 AfD-WählerInnen kommen von der SPD, 4.000 von der FDP. Besonders zahlt sich der Wechsel frustrierter CDU-WählerInnen aus: 8.000 UnionsanhängerInnen haben diesmal für die AfD gestimmt.

Die CDU-Vorsitzende kommt nicht umhin, diesen Erfolg der AfD zulasten ihrer Partei zur Kenntnis zu nehmen. Deren Themen „können“ beim Wahlausgang eine Rolle gespielt haben, formuliert es Angela Merkel vorsichtig im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. „Das weiß ich nicht.“ Der neben ihr stehende Hamburger Spitzenkandidat Dietrich Wersich weiß da mehr. Im Wahlkampf habe die AfD Punkte wie die Eurokrise und die Islamismusdebatte erfolgreich thematisiert; die CDU habe das im Straßenwahlkampf zu spüren bekommen. Die eigenen Themen wie Kriminalitätsbekämpfung und Innere Sicherheit waren damit besetzt.

Nur noch 15,9 Prozent hat die Hamburger CDU geholt, 6 Prozent weniger als 2011. „Ein bitteres Ergebnis“ nennt Merkel das. Dass ihre Partei ein Machtproblem in Großstädten habe, mochte sie nicht bestätigen. In Hamburg sei die CDU-Stammwählerschaft „überschaubar“, bis zum Wahlerfolg sei es wohl ein „längerer Weg, als man sich das vorgestellt hat“. Sie benennt auch gleich die Ursache: Olaf Scholz. Es folgt ein für die Meisterin der asymmetrischen Demobilisierung äußerst interessanter Satz: „Wenn der Amtsinhaber keine Fehler macht, ist die Machtoption sehr klein.“ Tja. Offenbar hat die SPD bei der Union im Bund gut hingeguckt.

Mehr als zweit Drittel der Hamburger WählerInnen sind übrigens der Ansicht, die AfD sei zu zerstritten, um Politik ernsthaft mitgestalten zu können.