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Archiv-Artikel

Schweiß auf Tuch

MUSIK Das Hamburger Label Sounds of Subterrania feiert mit dem Internet- und Ausstellungsprojekt „Amos Showtime“ das Plattencover als Ort der Kunst

Am schönsten formuliert es der Bundesverband der Musikindustrie. „Schallplatten erfreuen sich – wenn auch auf sehr niedrigem Niveau – wachsender Beliebtheit in der als etabliert zu bezeichnenden Nische.“ 2010 zählte der Verband rund 600.000 verkaufte Vinyl-LPs. Demgegenüber wurden rund 99 Millionen Alben auf CD verkauft.

Für den Betreiber des Hamburger Labels Sounds of Subterrania, Gregor Samsa, ist die Schallplatte kein Nischenprodukt, sondern eine Herzensangelegenheit. Samsa, 36, bringt kleine Bands auf Schallplatte heraus und sagt: „Im Untergrund verkauft man nur Vinyl.“ Einer der Vorzüge der Platte gegenüber der CD ist das Plattencover und weil Samsa findet, dass es heute weniger gut gestaltete Plattencover als in den 70er und 80er Jahren gebe, hat er das Projekt „Amos Showtime“ gestartet. Rund 400 Grafiker und Künstler haben dafür Plattencover gestaltet. Ihre Arbeiten sind auf der Website des Projekts zu sehen. Außerdem gibt es eine Ausstellung der Arbeiten im Hamburger Beatles Museum an der Reeperbahn.

Das Eigenwillige bei Samsas Projekt besteht darin, dass die beteiligten Cover-Künstler das Album von nur einem einzigen Musiker gestalten. Dieser Musiker heißt Amos, lebt in München und macht konventionellen Gitarren-Rock mit Hang zum Bombast und Freude am Gitarrensolo. Amos ist einer, der nach den späten 1970er Jahren klingt, damals aber vom avancierten Publikum als „kommerziell“ abgelehnt worden wäre.

Die Cover-Künstler waren nun völlig frei in ihrer Gestaltung und hatten offenbar kein Problem damit, für die konventionelle Musik einen unkonventionellen visuellen Ausdruck zu finden. Die Ergebnisse sind extrem heterogen, allein die Materialien und Techniken zeigen eine enorme Bandbreite: Vom Schuber aus Holz über die Handzeichnungen bis hin zum Porträt aus Lego-Steinen ist alles dabei. Man findet Sprühlack, Chromfolie, Nesselstoff, Styropor und Payetten, sogar die Technik „Schweiß auf Tuch“ ist vertreten, der Siebdruck sowieso. Viele Künstler arbeiten mit Collagen, viele Motive könnten aus einem Comic stammen. Fotos und am Computer hergestellten Hyperrealismus gibt es dagegen überraschend selten.

Ebenso heterogen wie die Arbeiten sind die Hintergründe der beteiligten Künstler: Autodidakte sind ebenso dabei wie Professoren, Hamburger von nebenan machen ebenso mit wie Leute aus Madrid, Montreal, New York oder Wiesbaden.

Gregor Samsa und Amos haben die Künstler ausgewählt und angefragt, manche kannten sie schon vor Projektstart, andere wurden ihnen erst im Zuge der Suche empfohlen. Der Deal ist: Alle Cover werden im Internet zum Verkauf angeboten. Die Künstler legen den Preis für ihr Cover selbst fest, bekommen aber nur dann etwas, wenn ihre Arbeit verkauft wird. Was sie auf jeden Fall bekommen, ist die Präsenz auf der Website und vielleicht auch die Präsenz in der einen oder anderen Ausstellung.

Auf der Website steht: „Wir weisen bewusst auf den kommerziellen Hintergedanken dieses Projekts hin.“ Man wolle visuell Kreativen eine neue Form geben, ihre Werke zu verkaufen. Die Idee ist keineswegs neu: Spätestens seit Andy Warhols Rolling-Stones-Album mit dem eingearbeiteten Reißverschluss steht dem Cover die Tür zur Kunst offen. Damals allerdings gab es keine CDs und keine Downloads. Der kommerzielle Hintergedanke beim Amos-Projekt scheint ein liebenswürdig überschaubarer zu sein. KLAUS IRLER

www.amos-showtime.com Ausstellung im Museum Beatlemania bis 31. 12.