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Archiv-Artikel

Fressen und gefressen werden

Bis Mitte November beschäftigt sich eine Filmreihe im Metropolis mit globaler Ernährung und biologischer Vielfalt. Den Auftakt macht heute eine Doku über die skandalöse Produktion von Obst und Gemüse im südspanischen El Ejido

Sogar vom Mond aus ist El Ejido gut zu erkennen: Ein 35.000 Hektar großes Meer aus funkelnden Plastikplanen umgibt die südspanische Stadt an der andalusischen Küste. Darunter befindet sich die weltweit größte Konzentration an Treibhäusern, der größte agrarindustriell genutzte „Wintergarten“ Europas. Pro Jahr werden hier – vor 30 Jahren noch das „Armenhaus Spaniens“, heute eine der reichsten Regionen der iberischen Halbinsel – etwa 3 Millionen Tonnen Obst und Gemüse produziert. Über 1.000 LKW verlassen in der Hauptsaison täglich die Region, um europäische Discounter mit billigen Tomaten, Paprika und Orangen zu versorgen.

Unter welchen Bedingungen hier produziert wird, zeigt heute Abend „El Ejido – Das Gesetz des Profits“. Jawad Rhalibs Dokumentation aus dem letzten Jahr, jüngst beim Panafrikanischen Film- und Fernsehfestival in Ouagadougou als bester Film ausgezeichnet, ist der Auftakt zu einer Reihe von Filmen, die sich bis Mitte November im Metropolis aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Problematik der globalen Nahrungsproduktion und der biologischen Vielfalt auseinandersetzen. El Ejido ist dabei im doppelten Sinne Symbol. Zum einen ist die ökologische Situation augrund des Flächen- und Wasserverbrauchs und des ungehemmten Einsatzes von Pestiziden katastrophal. Zum anderen wird der Reichtum der Region zum größten Teil von SaisonarbeiterInnen aus Nordafrika, Lateinamerika und zunehmend aus Osteuropa erwirtschaftet. Etwa die Hälfte von ihnen hat keine Aufenthaltsgenehmigung und arbeitet meist ohne Vertrag unter skandalösen Bedingungen für einen Stundenlohn zwischen 2 Euro und 3,50 Euro. Es ist die Konkurrenz unter den unterschiedlichen migrantischen Communitys, die den Bauern eine derartige Lohndrückerei ermöglicht.

Wer hier in den Cortijos, alten Häusern oder landwirtschaftlichen Gebäuden aus Stein, Unterschlupf findet, hat Glück gehabt. Die meisten der illegalisierten MigrantInnen hausen in kleinen Konstruktionen aus Karton oder Plastik, den Chabolas, neben wilden Abfallhalden und verschmutzten Wasserpfützen. Oder müssen in Lagerhallen für Pestizide und Dünger schlafen, mit schlimmsten Folgen für die Gesundheit. Für die Einheimischen bleiben die illegalisierten Ausgebeuteten dabei unsichtbar. Nach der Arbeit kehren sie sofort in ihre Behausungen zurück. Wer in die Stadt geht, riskiert, verhaftet und ausgewiesen zu werden. Dennoch kam es im Februar 2000 zu tagelangen, pogromartigen rassistischen Übergriffen auf die LandarbeiterInnen. Der Mob brannte Geschäfte und Hütten marrokanischer ArbeiterInnen nieder, plünderte die Moschee. Viele der LandarbeiterInnen begannen zur Haupterntezeit zu streiken, schließlich wurden Entschädigungen und der Neubau von Wohnungen zugesagt. Eingehalten worden sind die Zusagen bis heute nicht.

ROBERT MATTHIES

Do, 25. 10., 19 Uhr, Metropolis, Dammtorstraße 30; Programm der Reihe: www.metropoliskino.de