: „Wichtigster Mäzen der Stadt“
Bis 1938 hieß der „Hamburger Berg“ „Heinestraße“. Dass der wohltätige Namensgeber in Vergessenheit geriet, möchte Sheila Volk ändern und beantragte die Rückbenennung beim Senat
INTERVIEW: JESSICA RICCÒ
taz: Frau Volk, wie kommt man auf die Idee, den Hamburger Berg umtaufen zu wollen?
Die Straße hieß die längste Zeit gar nicht Hamburger Berg! 1938 wurde sie – wie zahlreiche andere Straßen in Deutschland – umgetauft, da der vorige Name – Heinestraße – an den Hamburger Mäzen Salomon Heine erinnerte. Und der war Jude.
Und wurde nach 1945 vergessen?
Ich glaube, dass „richtige“ Opfer für Straßennamen beliebter sind. Verstehen Sie mich nicht falsch, Salomon Heine war auch ein Opfer von Antisemitismus, da er aufgrund seines Glaubens nie Bürgerrechte in Hamburg erhalten hat, geschweige denn Ehrenbürger wurde. Dabei war er lange Zeit der wichtigste Mäzen dieser Stadt. Aber er starb 1844 und erlebte den Nationalsozialismus folglich nicht. Wenn heute Straßen oder Plätze umgenannt werden, dann meistens nach Menschen, die einzig für ihr Opferdasein bekannt sind – wie der Kemal-Altun-Platz in Ottensen, der nach einem türkischen Asylbewerber benannt ist oder die Bruno-Tesch-Gesamtschule nach einem jungen, von den Nationalsozialisten ermordeten Kommunisten. Ich will niemandem sein Gedenken abspenstig machen, aber diese Leute haben anders als Salomon Heine nichts für Hamburg geleistet.
Und was hat Heine genau getan?
Heute kennt man ihn fast nur noch als den angeblich missbilligenden Onkel von Heinrich Heine. Tatsächlich hat er aber nicht nur den Dichter, sondern vor allem die Stadt Hamburg immer wieder mitfinanziert. Nach dem Großen Brand 1842 waren viele Hamburger Handelshäuser bankrott. Bis auf Salomon Heine erhöhten alle Banken die Kreditzinsen. Darüber hinaus lieh er der Hamburger Stadtkasse zinsfrei und ohne Sicherheiten eine halbe Million Mark. Zum Vergleich: Die Versicherungssumme auf sein eigenes, abgebranntes Bankgebäude am Jungfernstieg betrug damals 8.000 Mark. Es gab nach seinem Tod ein paar halbherzige Versuche, ihn posthum zum Ehrenbürger zu machen, aber die scheiterten. Folglich ist der Name heute völlig in Vergessenheit geraten.
Wieso muss dann für so einen grundguten Menschen eine der lasterhaftesten Straßen der Stadt herhalten? Könnte man nicht eine andere Straße Heinestraße nennen und so sein Andenken pflegen?
Am Ende der Straße befindet sich das Gebäude des ehemaligen Israelitischen Krankenhauses, Heines persönlichstes Vermächtnis. Eigentlich sollte es nach seiner Frau Betty benannt werden, auch dort hat man aber nicht sein Andenken gepflegt. Auf Salomon Heines Wunsch hin stand es ausdrücklich allen Konfessionen offen. Immerhin 62 Jahre hieß die darauf zuführende Straße ja auch Heinestraße – nur hat man nach dem Krieg eher die Straßen und Plätze rückbenannt, die nationalsozialistische Bezeichnungen hatten, wie den ehemaligen Adolf-Hitler-Platz in Altona, der nun wieder der Platz der Republik ist. Hamburger Berg ist jedoch eine Bezeichnung, die niemandem wehtut.
Was sagen denn die Anwohner zu ihrem Plan?
Die Kneipen am Hamburger Berg dürften trotz ihres bekannten Standorts auch unter anderem Namen Umsätze machen. Die Umbenennung einer Straße ist eine politische Frage, keine wirtschaftliche. Ich habe zwar auch Zweifel, dass der Senat meinem Antrag widerstandslos Folge leisten wird – rechtlich gesehen gibt es aber für die Beibehaltung des Hamburger Bergs keine Grundlage. Und ich bin mir sicher, dass jüdische Vereine oder die Patriotische Gesellschaft mich zur Not unterstützen würden.
SHEILA VOLK, 51, ist Künstlerin und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Arbeit mit der Geschichte St. Paulis. Dabei stieß sie zufällig auf den vergessenen Mäzen Salomon Heine.