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Archiv-Artikel

„Da werde ich wütend“

BILANZ Das Theaterlabor, Weiterbildungsmaßnahme für arbeitslose Theaterarbeiter, geht in die zehnte Saison und zieht wieder einmal um. Doch das Geld fließt immer spärlicher

„Was heißt es, wenn eine Gesellschaft nicht bereit ist, sich um ihre KünstlerInnen zu kümmern?“

MAIK ROMBERG, INTENDANT DES THEATERLABORS

VON JAN ZIER

Der Bedarf ist da. Das Geld – kaum noch. 160 arbeitslose SchauspielerInnen und BühnenarbeiterInnen haben sich für die aktuelle, die zehnte Spielsaison des Bremer Theaterlabors beworben, die in diesen Tagen begann. 110 davon befand Intendant Maik Romberg für „geeignet“. Aber nur 17 haben am Ende vom Amt den begehrten „Weiterbildungsgutschein“ bekommen. Im Grunde zu wenig, eigentlich sollten es 20 sein, sagt Romberg, nur keinesfalls weniger als 15.

Die Gutscheine sind die Währung, mit der das Theaterlabor arbeitet, für jeden von ihnen gibt es aktuell rund 5.000 Euro, für ein halbes Jahr. Am Anfang, in der ersten Spielzeit vor fünf Jahren, bekamen noch 40 von 60 BewerberInnen so einen Gutschein, der damals 3.600 Euro wert war, gerechnet auf vier Monate. Geld vom Kulturressort gibt es keins.

Immer häufiger bekommen BewerberInnen vom Job Center zu hören, dass sie doch lieber im Call-Center arbeiten oder für die Altenpflege umschulen sollen, sagt Romberg. Selbst jene SchauspielerInnen, die schon fünf Jahre in festem Engagement waren. „Da werde ich wütend“, sagt er. Ganze drei Monate hat er diesmal gebraucht, um überhaupt ein Ensemble zusammen zu bekommen, Zeit, die nicht bezahlt wird. Offiziell ist das Theaterlabor bei der Volkshochschule angesiedelt – und die zahlt nur, wenn der Kurs läuft. Romberg nennt es einen „Affentanz“. Nein, es gehe ihm nicht nur um die Existenz des Theaterlabors. Sondern auch um die Frage: „Was heißt es, wenn eine Gesellschaft nicht bereit ist, sich um ihre KünstlerInnen zu kümmern?“

Das Projekt ist eines von bundesweit ganz wenigen seiner Art, und sein Spielplan ist fast immer ambitioniert gewesen, Heiner Müllers „Germania Tod in Berlin“, das von der Kritik mal als „Partisanenstreich in der Mainstream-Kultur“ gewürdigt wurde, Bert Brechts „Der Jasager“ oder „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“, dazu sehr selten gespielte Werke wie Einar Schleefs „Mütter“ oder das Revolutionsdrama „Masse Mensch“ von Ernst Toller. Und so weiter. „Wir wollen unser Publikum ernst nehmen“, sagt Romberg.

Zuletzt residierte das Theaterlabor gemeinsam mit der Shakespeare Company vier Jahre lang im Concordia, ein einst legendärer Spielort, der an die großen Zeiten des Bremer Theaters erinnert, mit großen Namen verknüpft ist. „Aber davon können sich unsere Teilnehmer nichts kaufen“, sagt Romberg. Jetzt ist das Theaterlabor in die Überseestadt gezogen, in die „Stauerei“, nahe des Speichers XI.

Am alten Spielort kamen im Schnitt rund 40 bis 70 ZuschauerInnen pro Abend, in der Stauerei hätten bis zu 200 Platz im Publikum, aber sie sieht auch mit einem Viertel dessen ordentlich gefüllt aus. Für den Fall, dass weniger Leute kommen, etwa aus der östlichen Vorstadt, hat Romberg schon mal über einen Shuttle-Service nachgedacht. Begonnen hat alles unweit der Überseestadt, im momentan mal wieder insolventen Waller Waldau-Theater, das sich mit seinen gut 500 Plätzen jenseits der ersten, ausverkauften Premiere bald als viel zu groß erwies. Und auch als zu teuer.

Am Ende der aktuellen Saison, sagt Romberg, „soll jeder der TeilnehmerInnen ein Projekt haben, das weiter geht“. Das ist sehr ambitioniert. Die Vermittlungsquote liegt bei gut 70 Prozent, Kurz-, Produktions- und Projektengagements eingeschlossen. Dauerhafte Festanstellungen sind eher selten in dieser Branche. Romberg ist zufrieden mit den Zahlen, ein vergleichbares Münchner Projekt kommt auf ähnliche Werte. Und der Bedarf wird weiter da sein: Nach wie vor werden SchauspielerInnen mehr ausgebildet als nachgefragt. Oder, anders formuliert: „Das Niveau“, sagt Romberg, „ist besser geworden.“