: Das Fleisch ist schwach
DAS VERGESSENE REZEPT In der Maultasche kann man während der Fastenzeit Verbotenes verstecken. Ein alter Klostertrick
■ Nudelteig – selbst gemacht oder aus dem Supermarkt (sofern er das im Sortiment führt)
■ 300 Gramm gemischtes Biohackfleisch
■ 150 Gramm Bratwurstbrät
■ 1 kleine Zwiebel
■ 1 Bund Petersilie
■ 1 altes Brötchen
■ 2 Eier
■ 50 Gramm geräucherter Speck (alternativ: geräucherte Schinkenwurst)
■ Salz, Pfeffer, Muskat
■ 1 Eigelb
Das Brötchen klein schneiden und mit lauwarmer Milch übergießen, etwas ziehen lassen und ausdrücken. In der Zwischenzeit die gewürfelte Zwiebel glasig dünsten, den Speck sehr fein würfeln und mit allen Zutaten gut vermischen. Teig ausrollen und die Füllung in kleinen Häufchen auf der Fläche verteilen. Mit einem Teigroller Vierecke ausschneiden und zusammenfalten. Die überlappenden Flächen vorher mit einem Pinsel und Eigelb bestreichen. Circa 10 bis 12 Minuten in siedendem Wasser ziehen lassen. Dazu passen: in Butter geschmelzte Zwiebeln und Kartoffelsalat.
VON PHILIPP MAUSSHARDT
Allah ist groß, Gott sieht alles, und wer es glaubt, wird selig. Willkommen in der Fastenzeit. In diesen Tagen sind mal wieder die Christen mit dem Verzichten dran, die Muslime beginnen erst am 18. Juni mit dem Ramadan. Bis Ostern wird in christlichen Küchen kein oder nur wenig Fleisch gegart. Das soll die Gedanken auf wichtigere Dinge als die tägliche Nahrungsaufnahme lenken oder zumindest ein Bewusstsein schaffen für das, was man in sich hineinschaufelt.
Mir selbst blieb dieser Weg zur Erleuchtung schon immer versperrt. Vor die Wahl gestellt zwischen einem möglichen Erkenntnisgewinn oder einem real duftenden, in Rotwein geschmorten Ochsenbäckchen entschied ich mich immer für Letzteres. Verzicht ist eine Leistung, die ich bei anderen bewundere. So wie Fallschirmspringen oder Marathonlaufen.
In der Gegend, aus der ich komme, bin ich mit dieser Einstellung nicht alleine. Denn aus Schwaben stammt der größte Betrug in der Geschichte des Fastens. Er wird der Legende nach dem Koch des Zisterzienserklosters von Maulbronn angedichtet: Der soll während der Fastenzeit das Fleisch in Teigtaschen gefüllt haben, um es vor dem strengen Blick des Herrn zu verstecken.
So entstanden die „Maultaschen“, die Teigtaschen aus Maulbronn, die bis heute als „fleischlose“ Kost von den Schwaben auch während der Fastenzeit verspeist und einigenorts noch „Hergotts-B’scheisserle“ genannt werden.
Maultaschen essen in der Fastenzeit – das ist ungefähr so, wie wenn man beim außerehelichen Geschlechtsverkehr das Licht ausmacht. Das passt zu den Schwaben, denen man nachsagt, dass sie gerne unerkannt genießen. Einer der reichsten Männer im Südwesten fuhr kürzlich zu einem Termin mit seinem etwa zehn Jahre alten Skoda vor. Das ist auch eine Art zu Fasten. Gelebt wird hinter der Türe und unter der Decke. Es würde mich nicht wundern, wenn gerade jetzt zur Fastenzeit in einigen Stuttgarter Maultaschen-Lokalen auch Varianten mit Trüffeln angeboten werden. Buddha beschloss übrigens, so streng zu fasten, bis er „sein Rückgrat durch seinen Magen spüren“ könne. Er war eben kein Schwabe.
Wenn es nicht gerade um ihren Bahnhof geht, streiten die Stuttgarter am liebsten über die Frage, ob Spinat nun in die Maultaschen hinein gehört oder nicht. Die einen sagen es so, die anderen so. Der immerwährende Streit darüber wurde nur kurz durch Stuttgart 21 unterbrochen, heute ist das Thema wieder wichtiger als der tiefergelegte Bahnhof. Und während man im Rest von Deutschland die wichtige Frage erörtert, ob der Islam nun dazugehört oder nicht, debattieren sie in Stuttgart über Spinat.
„Er gehört nicht dazu“, sagen die, die südlich von Stuttgart wohnen, „doch, Spinat ist sogar ein wesentlicher Bestandteil“, sagen die nördlich Wohnenden. Wobei mir dabei immer der Witz von den beiden Türken einfällt, die mit dem Zug von Stuttgart nach Istanbul fahren und vom schwäbischen Schaffner kurz nach Ulm gefragt werden, ob sie „zamma g’heren“ (zusammengehören). Darauf der eine: „Nein, ich bin Gabelstaplerfahrer, aber Mehmet kehrt zusammen.“
■ Die Essecke: Philipp Maußhardt schreibt hier jeden Monat über vergessene Rezepte. Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche, und unsere KorrespondentInnen berichten, was in anderen Ländern gegessen wird