: I like da Battyman
ZEICHEN SETZEN Homophobe und sexistische Texte gibt es in Reggae und HipHop immer noch viel zu oft. Darauf will die neue Kampagne „Make some noise“ aufmerksam machen. Heute ist das Eröffnungskonzert
VON CARLA BAUM
In Reggaesongs, denken manche, geht es doch immer nur um das Gleiche. Um Liebe, um Frieden und um heile Welt.
Eingefleischte Reggaefans würden sich sicher gegen diese eindimensionale Sichtweise wehren: Klischee! Die Sicht stimmt ja auch wirklich nicht, nur bedeutet das nicht unbedingt etwas Gutes. Denn hinter der rot-gelb-grünen Imagewolke des Reggae, die Weltfrieden und tolerantes Miteinander zu propagieren scheint, schlummern bisweilen ganz andere Botschaften. Wie diese des jamaikanischen Sängers Capleton: „Fire bun batty bwoy“, („Das Feuer möge den Schwulen verbrennen“). Solche sogenannten Battyman Tunes, Lieder, in denen gegen Homosexuelle gehetzt wird, sind keine Seltenheit im Reggae. Dennoch treten jamaikanische Reggaegrößen mit homophoben Textinhalten wie Sizzla, Capleton und Elephant Man alljährlich wieder auf deutschen Reggaefestivals auf.
Neu ist nun der Versuch, innerhalb der Fangemeinde etwas dagegen zu tun. Das hat sich Mal Élevé, der mit richtigem Namen Pablo Charlemoine heißt und einer der Frontsänger der Band Irie Révoltés ist, gemeinsam mit Freunden aus der Reggae- und HipHop-Szene vorgenommen und die Kampagne „Make some noise – Sexism and Homophobia out of my music“ gestartet.
„Es kann einfach nicht sein, dass jeder in der Szene über das Problem Bescheid weiß, es aber nie zu einer Debatte kommt“, sagt Charlemoine. Die Idee sei diesen Sommer entstanden, als mit Capleton wieder ein homophober Sänger auf der Bühne des Chiemsee Reggae Summer Festivals stand. Die Grüne Jugend hatte offen die Absage des Konzerts gefordert; als diese nicht kam, sagte die Band Frittenbude kurzerhand ihren geplanten Auftritt ab. Etwas weniger drastisch hielten es Pablo Charlemoine und seine Kollegen von Irie Révoltés, indem sie andere Bands überzeugten, auf der Bühne „eine klare Message gegen Homophobie“ zu äußern. „Wir selbst machen das auf jedem Konzert“, sagt er.
Durch die Kampagne, die neben dem heutigen Eröffnungskonzert auch Podiumsdiskussionen und Infoveranstaltungen auf dem Programm hat, soll nun „aktiver an die Sache rangegangen werden“, wie Charlemoine sich ausdrückt. „Aktiv“ ist, Achtung noch ein Klischee, in der Reggaeszene ein dehnbarer Begriff. Zwei Tage vor dem Eröffnungskonzert fehlen noch die Shirts, eine Website – und genauere Infos zu den stattfindenden Veranstaltungen sowieso. „Ist aber bald soweit“, sagt Charlemoine überzeugt. Wichtig sei nun zunächst, dass die Message verbreitet werde, damit sich die Fans positionieren können.
Denn auch innerhalb der Szene gibt es verschiedene Meinungen. „Manche Soundsystems kopieren eins zu eins die schwulenfeindlichen Äußerungen, andere finden das nicht gut, spielen die Songs der Sänger aber trotzdem, angeblich aus Mangel an Alternativen“, beklagt sich der Irie-Révoltés-Sänger. Seitens der Fans werde das Thema nach wie vor „totgeschwiegen“, oder es wird in Internetforen versucht, die Textstellen als Metaphern zu relativieren oder den jamaikanischen, kulturellen Hintergrund als Entschuldigung anzubringen.
Lauter Protest kam bisher vor allem von Schwulen- und Lesbenverbänden oder politischen Organisationen wie der Grünen Jugend, vereinzelt auch von MusikerInnen. Die Brassband LaBrassBanda etwa schrieb das Lied „I like da Battyman“, Battyman werden Schwule auf Jamaika genannt. Still blieb es jedoch immer unter den Fans. Es ginge deswegen nun darum, ein Zeichen zu setzen, sagt Charlemoine. „Vielleicht sehen dann auch irgendwann die jamaikanischen Sänger, dass ihre Fans in Deutschland so etwas nicht tolerieren, und lassen sich etwas anderes einfallen als Trotzreaktionen“, wünscht er sich.
Fraglich bleibt, wie große Kreise die Kampagne ziehen kann. Reggae- und HipHop-Szene, Sexismus und Homophobie, eventuell „auch ein bisschen was zum Thema Nationalismus“, wie Charlemoine noch nachsetzt – droht der Kampagne so möglicherweise ein „Gegen alles und doch wieder nichts“-Image?
Unter deutschen Reggae- und HipHop-Fans dürfte sie in vielen Fällen offene Türen einrennen, so dass sich der „Streit“, den Charlemoine sich im besten Fall vorstellt, schwierig gestalten könnte. Auch ist fraglich, ob das deutsche Statement wirklich bis nach Jamaika reicht, wo auf homosexuelle Handlungen immer noch bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen, wo Lesben vergewaltigt werden, um „korrigiert“ zu werden. Die Liste der Schrecklichkeiten in den Jahresberichten von Amnesty International ist lang.
Kann „Make some noise“ wirklich etwas an dieser eingefahrenen Situation ändern? Immerhin: Die Erlöse der Konzerte und Veranstaltungen gehen an Schwulen- und Lesbenorganisationen auf Jamaika.
■ „Make some noise – Sexism and homophobia out of my music“. Eröffnungskonzert: 12. 11., 21 Uhr im Lovelite, Simplonstraße 38–40, u. a. mit Mal Élevé, Microphone Mafia, Paco Mendoza