: Ein unermüdlicher Ideensammler
IMPROVISATION Der britische Gitarrist Fred Frith gehört zu den wichtigsten Erneuerern von Rock und freier Form. Nun kommt er auf Tournee
Sein Gesichtsausdruck hat etwas von einem Jungen, der zwischen stiller Freude und Trauer schwankt. Fred Frith strahlt auf der Bühne Gemütlichkeit aus, auch wenn sie nicht so ganz zu seiner eigenen Musik zu passen scheint. Aber vielleicht sind das bloß Vorurteile gegen seine Musik – oder seine Mimik. Fred Frith hat sich in mehr als 45 Jahren seinen eigenen musikalischen Kosmos geschaffen.
Der 1949 geborene Multiinstrumentalist hatte dabei nie große Hemmungen, Pop und höhere Kultur miteinander zu verschalten, ihre Kräfte zu bündeln oder auf Widersprüche zu untersuchen. Als Student gründete er 1968 in Cambridge mit seinem Kommilitonen Tim Hodgkinson die Artrock-Band Henry Cow, die neben ihrer Aufgeschlossenheit für längere Songformen auch Improvisationsmuster des Free Jazz, die radikalen Ideen des Komponisten John Cage und eine dezidiert linke Haltung vertrat.
Der bescheidene kommerzielle Erfolg und die Auflösung ihres Plattenvertrags nach vier Alben gaben der als Kollektiv operierenden Band dafür schon bald die Möglichkeit, sämtliche Entscheidungen in Eigenregie zu fällen. Dieser unabhängige Geist, für den Plattenverkäufe weniger wichtig sind als künstlerische Selbstbestimmung, mag heute selbstverständlich anmuten. Seit die Musikindustrie durch die Selbstverwaltung im Internet umgekrempelt wurde, steht es den meisten Musikern offen, eine Karriere losgelöst von der Frage eines Plattenvertrags zu verfolgen.
Fernab der Hauptströme
In den siebziger Jahren bedeutete der Verlust eines Plattenvertrags oft das Ende. Für Fred Frith hingegen war dieser Schritt lediglich einer von vielen auf seinem Weg fernab herkömmlicher Werdegänge. So erhielt der in einer musikalischen Familie aufgewachsene Brite in jungen Jahren Geigen- und Klavierunterricht, begann aber nach dem Besuch eines Beatkonzerts, sich selbst die Gitarre beizubringen. Bis heute ist sie sein Hauptinstrument geblieben.
Dabei gab sich Frith nie mit den Möglichkeiten von Gitarren üblicher Bauart zufrieden. Schon auf seinem Solodebüt „Guitar Solos“ von 1974 verwendete er erweiterte Techniken, für die er sein Instrument unter anderem mit einem zusätzlichen Tonabnehmer präparierte. Bei Konzerten kann man erleben, wie er die Gitarre auf seinen Knien spielt und zusätzlich zu seinen Fingern mit Haushaltsgegenständen bearbeitet. Frith ist auf mehr als 400 Schallplatten zu hören, neben seinen eigenen Alben oder denen seiner verschiedenen Bands – auf Henry Cow folgten Art Bears, später spielte er unter anderem im Punk-Jazz-Trio Massacre mit dem Bassisten Bill Laswell und dem Schlagzeuger Fred Maher oder in der Experimentalrockband Skeleton Crew – gibt es diverse Gastauftritte etwa auf Alben von Robert Wyatt.
Anfang der neunziger Jahre wurde Fred Frith durch den Dokumentarfilm „Step Across the Border“ dem Kinopublikum bekannt. Zu sehen ist Frith dort vor allem als unermüdlicher Ideensammler, der sich mit immer neuen Partnern an den Grenzen von Improvisation und Klangforschung bewegt.
Zur gleichen Zeit war er regelmäßig als Bassist der Band Naked City des New Yorker Saxofonisten John Zorn zu erleben. Mit stoischer Miene bewältigte Frith in dieser Funktion jeden der nahtlosen Übergänge von Country über Filmmusik-Kitsch bis zu Grindcore. Während Frith auf Alben wie „Cheap at Half the Price“ (1983) sich an einer Art verschrobenem Elektropop – in einem sehr weiten Sinne verstanden – probierte, scheute er später ebenso wenig vor gemeinsamen Projekten mit dem renommierten Frankfurter E-Musik-Ensemble Modern zurück.
Und auch wenn er die Tradition der notierten Musik als fragwürdige Kanonbildung ablehnt, gehört sein Werk in gewissem Sinne selbst inzwischen zum „Kanon“ der freien Improvisation, das auf seine Weise durchaus Schule gemacht hat. Frith war seit den Neunzigern zudem oft als Hochschullehrer gefragt. Er erhielt diverse Auszeichnungen, 2010 verlieh ihm die britische University of Huddersfield einen Ehrendoktortitel. Derzeit lehrt der studierte Literaturwissenschaftler an der Musik-Akademie in Basel und am Mills College im kalifornischen Oakland. Von dort stammen auch seine jungen Mitstreiter Jason Hoopes und Jordan Glenn, mit denen Frith momentan im Trio in Europa unterwegs ist, beide zählen zur Generation von Friths Studenten.
Die Trioform ist für ihn eine Art Rückkehr zu seinen Anfängen mit Henry Cow – ergänzt um einige Jahrzehnte an Erfahrung.
TIM CASPAR BOEHME
■ Fred Frith Trio live: 26. 2., Jazzclub Konstanz; 27. 2., Kesselhaus, Berlin; 28. 2., Domicil, Dortmund