Das Reh bleibt da

Flohmarkt der Gefühle

Lisa hat einen guten Stand. Lisa macht Flohmarkt. Ausmisten, Platz schaffen für Neues. Alles muss raus. Lisa arrangiert Bücher, Tops und Flops, Haarspangen und Krimskrams. Die Sonne scheint, das Leben könnte schön sein. Doch Lisa hat Herzweh. Jemand will nicht so, wie Lisa will. „Wie viel kostet das Reh?“ Lisa hat noch nicht mal fertig ausgepackt. Das Reh ist kitschig und etwas verkorkst. „Drei Euro.“ „Zu teuer.“ Egal. Jetzt wird noch nicht gehandelt, der Tag ist ja noch lang.

Der staubige Platz am Mauerpark ist voll belegt. Man findet fast alles, selbst Sachen, die man für immer verloren glaubte. Kinderbücher, Puppengeschirr, wenn man Glück hat, sogar das eigene Fahrrad. Manchmal findet man auch ehemalige Liebhaber auf dem Flohmarkt, Lisa blinzelt, Mike sieht immer noch gut aus. Mike hat einen Leberfleck genau zwischen Hemd und Hose, den sieht man manchmal, heute nicht. Heute ist es kalt. Ein Leberfleck zum Küssen. Dazu kam es leider nie. Ach ja. Ruhig bleiben. Lisa probiert eine neue Masche. Sie strickt. Stricken für den Frieden. „Das Reh?“ Das Reh ist der Renner. Es hat nie so richtig irgendwohin gepasst. „Fünf Euro.“ „Vorhin hat es noch drei gekostet.“ „Jetzt kostet es aber fünf.“

Die Stricknadeln klappern. Langsam geht die Sonne wieder unter. Glückliche neue Besitzer schultern alte Lampen, vergilbte Noten, unbrauchbare Elektronikgeräte und fast neue Duplo-Steine. Die Deals sind gemacht. „Das Reh?“ „Schon weg.“ In der Tasche.

Lisa strahlt. Sie hat einiges verkauft. Die Stände leeren sich. Ein Muttchen sammelt Stehengebliebenes. Das Loswerden und Finden ist zu Ende. Das Stricken geht weiter. Es wird ein langer Schal. Frieren wird Lisa im Winter nicht. Und das Reh – darf weiter unpassend sein.

SYNKE KÖHLER