hobby-finanzverwalter vor gericht : Die Schätze der alten Dame
Getrennt und verkleidet betreten die einstigen Eheleute Peter und Irena H. das Gerichtsgebäude: Sie trägt Sonnenbrille und verhüllt ihren Kopf mit einem Tuch, er hat seinen Hut tief ins Gesicht gezogen. Diesmal spielt die 56-jährige Augenärztin die Rolle der Zeugin. Doch schon bald droht ihr das gleiche Urteil, das am Dienstag das Amtsgericht über den Gymnasiallehrer Peter H. sprach: Wegen schwerer Untreue muss der 53-Jährige eine Freiheitsstrafe von 39 Monaten wegen schwerer Untreue verbüßen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wird der Studienrat vom Dienst suspendiert.
Ende 2002 bat die damals 94-jährige Charlotte K. ihre Augenärztin darum, ihre finanziellen Angelegenheiten für sie zu regeln. Außerdem wollte die kinderlose Frau ihre Ärztin zur Erbin ihres Vermögens einsetzen – die ehemalige Sekretärin besaß damals etwa 540.000 Euro. Doch Irena H. wollte sich nicht die Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses nachsagen lassen und schlug darum ihren Mann als Vermögensverwalter vor. Charlotte K. war einverstanden. „Ich hatte volles Vertrauen“, erklärt die heute 99-Jährige dem Richter. Schließlich handelte es sich bei dem „Mann von Frau Doktor“ um einen Lehrer, „zudem an einer höheren Schule“.
Im Januar 2003 unterschrieb sie im Beisein eines Notars die benötigten Vollmachten und übergab der Ärztin ihre 14 Sparbücher. Einen Monat später begann Peter H. mit dem Vermögenstransfer auf sein Konto und das Geschäftskonto seiner Frau. Er tilgte den Kredit für das Haus, bezahlte Reisen in die Türkei und die Dominikanische Republik sowie einen Sprachkurs für den Sohn. Seine Frau kaufte sich eine neue Praxis in Kladow, wo es mehr Privatpatienten gibt als in Neukölln, und viele Klamotten.
Doch 2005 packte Peter H. einen Koffer und zog in die Wohnung der besten Freundin seiner Frau, mit der er heute verheiratet ist. Den Ordner „K.“ ließ er im gemeinsamen Haus zurück. Umgehend sorgte Irena H. dafür, dass Charlotte K. eine Strafanzeige gegen Peter H. stellte.
Der sagt dem Gericht, es habe sich um eine Schenkung gehandelt, denn Frau K. habe ihm erklärt, „sie gebe lieber mit warmen Händen als mit kalten“. Eine offizielle Schenkung hätte sie abgelehnt, weil sie „die Steuer vermeiden wollte“. Die sehschwache, aber geistig rege Rentnerin, die im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wird, schildert das anders: „Ich habe nur unterschrieben, dass er berechtigt ist, Geld für mich abzuheben.“ Und Steuern habe sie immer gezahlt. „Auf Heller und Pfennig!“
Sie bestätigt, dass ihre langjährige Augenärztin ihr Vermögen erben sollte: „Aber erst nach meinem Tod!“ Doch nun sind ihre Konten leer. Einen Umzug in ein teures Seniorenstift könnte sie sich erst leisten, nachdem ein Zivilgericht entscheidet, Peter und Irena H.s Besitz pfänden zu lassen. Für den Richter ist „Frau Dr. H. die treibende Kraft beim Geldausgeben gewesen“. Er würdigt auch das fürsorgliche Element von Peter H., der sich um die alte Dame gekümmert habe.
Doch für den Richter „hat keine Schenkung vorgelegen, und das war Herrn und Frau H. bewusst“. Peter H., der unter Tränen seine Unschuld beteuert, will in Berufung gehen. UTA FALCK