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Archiv-Artikel

Linke haben Alibis für Ausschreitungen in Polen

PROTEST Berliner Antifa bestreitet Gewalttaten in Warschau. Mittlerweile wurden alle freigelassen

40 AktivistInnen nahm die Polizei fest, als sie vor polnischen Neonazis in einen Hinterhof flüchteten

Polens Rechte schäumt. Nachdem sich am vergangenen Samstag auch zahlreiche aus Berlin angereiste AntifaschistInnen an den Protesten gegen einen Aufmarsch rechtsnationaler und neonazistischer Kräfte zum polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau beteiligten, werden sie für Ausschreitungen am Rande des Aufmarschs verantwortlich gemacht. Die BerlinerInnen weisen diese Vorwürfe zurück und haben auch ein starkes Alibi: Während der Auseinandersetzungen befand sich ein großer Teil von ihnen in Polizeigewahrsam.

Unmittelbar nach ihrer Ankunft sei es auf dem Weg zu den geplanten Blockaden erst zu verbalen, dann zu körperlichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe polnischer Neonazis gekommen, berichtet ein Antifaschist, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Unmittelbar danach wurden wir jedoch durch ein Großaufgebot der Warschauer Polizei auf der Höhe des Cafe Nowy wspanialy Swiat zuerst eingekesselt und später festgenommen“, so der Augenzeuge weiter. Diese Version wurde auch von zahlreichen PressevertreterInnen, die die Festnahme der rund 60 AntifaschistInnen beobachteten, bestätigt. Etwa 40 weitere AktivistInnen seien am frühen Nachmittag von der Polizei festgenommen worden, als sie sich vor der Verfolgung durch polnische Neonazis in einen Hinterhof flüchteten. Mittlerweile wurden alle Festgenommenen aus Deutschland freigelassen und haben Polen wieder verlassen. Nach Angaben eines Warschauer Rechtsanwalts hat die polnische Justiz Prozesstermine in Warschau anberaumt, bei denen die Betroffenen jedoch nicht selbst erscheinen müssen. Noch am Samstag hatte ein Sprecher der polnischen Justiz angekündigt, die festgenommenen AntifaschistInnen nach dem Hooligan-Paragrafen anklagen zu wollen.

Sammelklage erwogen

Auch die AntifaschistInnen diskutieren über juristische Maßnahmen. Bis zum Freitag wollen sie entscheiden, ob sie eine Sammelklage gegen die Festnahmen einreichen. Zudem wollen einige der Festgenommenen Anzeige wegen Körperverletzung stellen. Betroffen ist davon auch ein in Berlin lebender Antifaschist mit dänischer Staatsangehörigkeit. Er gibt an, von der Polizei geschlagen worden zu sein, nachdem er sich bei der Durchsuchung geweigert habe, sein T-Shirt auszuziehen. Die Betroffenen haben auch gegenüber einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Warschau diese Vorfälle geschildert.

In Polen besteht offenbar weiterhin erhöhter Informationsbedarf über die antifaschistische Bewegung in Deutschland. Gleich drei polnische Zeitungen hätten am Montag angerufen, die nach den Ereignissen von Samstag auf der Suche nach Informationen über die Berliner Antifa sind, berichtete ein Aktivist. PETER NOWAK