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Archiv-Artikel

DAS DING, DAS KOMMT Date mit der Taufschale

Die STOPPUHR misst beim Kultur-Speed-Dating in Lübecker Museen die Dauer der Besichtigung – wer länger braucht als 15 Minuten, zahlt drauf

Von PS
Wer auf den Geschmack kommt und länger als 15 Minuten im Museum bleiben will, muss mehr zahlen

Wer ein Originalstück der Berliner Mauer sehen will, sollte nach Lübeck fahren. Im dortigen Willy-Brandt-Haus darf, ja: muss er das gute Stück nämlich schon nach 15 Minuten wieder verlassen und kommt also gar nicht dazu, sich über die Wende und andere historische Ungemütlichkeiten groß Gedanken zu machen.

Mit der Taufschale der Manns, von Thomas Mann im „Zauberberg“ verarbeitet, der Nobelpreis-Urkunde des wegen seiner SS-Vergangenheit umstrittenen Günter Grass und einem Gemälde von Edvard Munch in drei weiteren Lübecker Museen darf er ähnlich verfahren und einem Kulturhopping frönen, von dem das Lübeck-Marketing glaubt, dass es eine gute Lösung ist.

„Kulturelles Speed-Dating“ nennt die Agentur den Blitz-Parcours durch Willy-Brandt-Haus, Günter-Grass-Haus, Buddenbrookhaus und das Museum Behnhaus Drägerhaus. Mit der Kampagne will sich Lübeck im soeben proklamierten „Glückswachstumsgebiet Schleswig-Holstein“ profilieren. Psychologisch geschickt, trägt die PR-Aktion dazu die glücksfördernde Farbe Rosa, die auch Hamburgs FDP im jüngsten Wahlkampf für sich entdeckte.

Man wolle die „Auch-Kultur-Touristen“ besser ins Programm einbinden, sagt Hans Wißkirchen, der Chef der Lübecker Museen. Und damit diese Leute ihre Zeit nicht mit Entscheidungen vertun, sind nicht nur die Museen vorgeben, sondern auch das zu bestaunende Exponat. Das wird dann inszeniert, in anheimelndes Licht getaucht und mit ein, zwei erklärenden Sätzen versehen – so viel, wie man in 15 Minuten lesen kann.

Sechs Euro kostet so ein Lübecker Vier-Museen-Ticket, aber das ist nur der Appetizer: Wer länger im Museum bleiben will, zahlt drei Euro drauf; wollen doch mal sehen, ob sich der Wissensdurst nicht übers Portemonnaie bremsen lässt.

Ganz abgesehen davon, dass das Speed-Dating ja eigentlich eine Auslese potenzieller Beziehungskandidaten darstellt und sich auf Kulturgut nur bedingt übertragen lässt. Oder will man die Besucher etwa animieren, die Mann’sche Taufschale „gut“ oder „blöd“ zu finden, womöglich per „Gefällt mir“-Button à la Facebook? Sollen sie gar für oder gegen den Verkauf der Stücke zugunsten des klammen Stadtsäckels votieren? Aber nein, so weit haben die Marketing-Spezialisten nicht gedacht. Die wollen uns ja bloß glücklich machen.  PS

■ Ein „Kulturkatalog“ für das Speed-Dating ist erhältlich bei den Lübecker Kulturinstitutionen sowie der örtlichen Marketing-GmbH im Holstentor, ☎ 04 51 / 409 1 9 03, www.luebeck-tourismus.de.

Tickets können ab Dienstag, 3. März, ebenda bestellt werden