Mein Kampfinstrument, die Stricknadel

GEDÖNS Beim Handarbeitsclub des taz.lab 2015 werden alte Kulturtechniken wie Häkeln und Stricken gefeiert. Dahinter stecken ernste Motive, denn entgegen dem patriarchalen Wunschdenken ist Handarbeit definitiv keine bedeutungslose Damenbespaßung

VON WALTRAUD SCHWAB

Gedöns – darauf haben Frauen gewartet. Deshalb werden auf dem taz.lab alte Kulturtechniken, die seit Jahrhunderten vor allem von Frauen gepflegt werden, revitalisiert. In anderen Worten: Es wird gestrickt und gehäkelt. Wer zum taz.lab kommt, bringe sein Handwerkszeug mit. Stricknadeln, Häkelnadeln, Material, das verarbeitbar ist. Es wird gehandarbeitet.

Wie es zu dieser Aktion kommt? Gedöns legt es nahe. Kaffeekränzchen ginge auch. Alles, was man den Frauen klischeehaft andichtet, geht, vor allem, dass Frauen gern zusammenhocken und tratschen und Topflappen häkeln, nichts Wertvolles halt, nichts Nachhaltiges, keine Weltraumerforschung, kein Weltkrieg, nur Petitessen und Krimskrams – das Leben der Frauen: ein Treppenwitz. Danke, liebes taz.lab, dass ihr Gedöns endlich auf ein Podest hebt.

Aber wie es wirklich dazu kam? Da war dieser Artikel in der taz.am Wochenende vom 24. Januar über „Ritas Häkelclub“. Dort sitzen Frauen, meist migrantischer Herkunft, und häkeln mit dünnem Nähfaden feine Haute Couture. Sie sitzen verschleiert, beten zu den erforderlichen Betzeiten und häkeln Tangas, Zierkragen, Gürtel und Büstenhalter. So entstehen Kulturhybriden.

Bekannt war zudem, dass die ehemalige Managerin Anke Domscheit-Berg, die mittlerweile entschleunigt im uckermärkischen Fürstenberg an der Havel lebt, dort einen Strickclub organisiert hat und bekennende Guerilla-Strickerin ist. Wir dachten: Das wäre doch super, wenn Ritas Damen und die Brandenburgerinnen und alle interessierten taz.lab-BesucherInnen auf dem Gedöns-Kongress der taz auch einen Strickclub hätten. Und voilà, jetzt haben sie ihn. Natürlich wollen wir dabei guerillamäßig etwas bestricken und Spuren hinterlassen. Weil kein Panzer vor dem Haus der Kulturen der Welt steht, den man friedlich umgarnen könnte, haben wir uns etwas anderes überlegt. Im Haus drinnen. Das Haus der Kulturen der Welt weiß noch nichts davon. So möge es bleiben, deshalb zählen wir auf Ihre Verschwiegenheit. Also pssst. Wobei kein Zwang im Gedöns herrscht. Wer einfach vorbeikommen mag und wie die Ritas Dessous häkeln oder an seinem Pullover weiterstricken möchte, ist uns genauso herzlich willkommen wie alle, die neue Stricktricks und Techniken kennenlernen mögen. Und wenn Sie einfach nur dabeisitzen oder mit einem Kuchen vorbeikommen wollen, um kathartisch die Weltlage zu besprechen, nur zu! Wir sind da.

Anke Domscheit-Berg besucht das taz.lab aber nicht nur zum Stricken. Auf dem von taz-Redakteurin Nina Apin moderierten Panel „Basteln, Stricken, Selbermachen“ wird Domscheit-Berg mit dem „Maleknitter“ Lutz Staake und der Soziologin Cornelia Koppetsch darüber diskutieren, ob Stricken, Basteln und Co. Weltflucht bedeuten oder Selbstermächtigung sind