Oskar Lafontaine und Herr Wulff

Gegen Rente mit 67, Hartz IV, Agenda 2010 und für die Aufstockung der Landesanteile bei VW: Bundestagsfraktionschef gibt der Landes-Linken Rückendeckung für die Niedersachsen-Wahl

„Im Fall einer Regierungsbeteiligung“, witzelt Oskar Lafontaine Richtung Diether Dehm, „schlage ich die Beobachtung der CDU durch den Verfassungsschutz vor“. Dehm, der Chef der Linkspartei in Niedersachsen, nickt dem großen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, der am Freitag zur „Bürgersprechstunde“ nach Hannover gekommen ist, eifrig zu. Auch er ist gegen eine weitere Bespitzelung seiner Parteimitglieder: Das, sagt Dehm, sei ein „Mini-Watergate“ und die „Einschüchterung von Menschen“.

Auf die alles entscheidende Frage, ob sich die Linken an einer Koalition beteiligen, falls sie bei der Landtagswahl am 27. Januar den Sprung in das erste Parlament eines westdeutschen Flächenlandes schaffen, windet sich Lafontaine. „Von einer Duldung halte ich wenig“, sagt er. Und: Bei Kooperationen sei entscheidend, „was kommt hinten dabei raus?“. Zwei Tage nach der Wahl wollen die Linken bei einem „Ratschlag“ mit Vertretern von Gewerkschaften, Verbänden und Vereinen „beraten, was wir mit dem Wahlergebnis machen“, sagt der Vorsitzende Dehm.

Vom Einzug der Linkspartei in den Landtag in Hannover hängt ab, ob es gelingen könnte, die amtierende Koalition aus FDP und CDU zu stürzen. Derzeit kam die Dehm-Truppe nur bei einer Erhebung über die Fünf-Prozent-Hürde. „Je stärker die Linke, desto sozialer die Republik“, poltert Lafontaine. An die Umfragen glaubt er nicht: Seine Partei sei „unterbewertet“. Auch in Bremen sei die Linke bei 4,5 Prozent gehandelt worden, über acht habe sie bei der Bürgerschaftswahl erhalten. Vom vielzitierten „Linksruck“ der SPD sieht er wenig, den SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Jüttner erwähnt Lafontaine in seinem Rundumschlag nicht: „Man muss“, sagt er, „definieren, was links ist.“ Er meint damit: Diese Definitionshoheit hat derzeit die Linke.

Rente mit 67, Hartz IV, Agenda 2010, Leiharbeit und die „Rutschbahn der Löhne“ sind Lafontaine ein Graus. Dass diese Themen bei der Niedersachsen-Wahl kaum zur Debatte stehen, ficht ihn nicht an: „Herr Wulff“ habe alles „abgenickt im Bundesrat. Er steht in vorderster Front beim Sozialabbau.“

„Ein Staat, der keine Schulden macht, verspielt die Zukunft“, sagt der einstige SPD-Finanzminister. Deshalb will die Linke im Wahlkampf gegen Privatisierungen von Stadtwerken oder Krankenhäusern Front machen. Außerdem soll die Beteiligung Niedersachsens an VW von derzeit rund 20 auf über 25 Prozent erhöht werden, damit das Land durch die so erreichte Sperrminorität Entscheidungen blockieren kann, die zu Lasten der Standorte gehen.

„Eine sichere Methode, Beschäftigung zu sichern“, erklärt Lafontaine. Die dafür notwendigen drei Milliarden Euro will er mit Krediten finanzieren. „Als langjähriger Ministerpräsident“ wisse er, wie Landesbanken mit derartigen Summen jonglierten.

Die Landesregierung unter Christian Wulff hatte stets eine Erhöhung der Beteiligung ausgeschlossen. „Das“, betont Lafontaine, „müssen die VW-Arbeiter beantworten, ob sie Herrn Wulff recht geben oder mir“.

KAI SCHÖNEBERG