: „Alle Lampen auf Rot“
TERRORWARNUNG Salafisten sollen Kriegswaffen geordert haben, die Bremer Polizei befürchtet ein Attentat. Bei Razzien findet sie aber nichts. Verdächtigte lässt sie laufen
AUS BREMEN REIMAR PAUL
Wilde Verfolgungsjagden mit gestohlenen Autos, zerdepperte Scheiben, Massenschlägereien: Gewalt gibt es im Bremer Szeneviertel Steintor am Wochenende nur im Kino. In der Schauburg läuft „Als wir träumten“, die Verfilmung von Clemens Meyers gleichnamigem Roman. Alle Vorstellungen sind gut besucht. Niemand hat vorab bestellte Karten wegen der Terrorwarnung zurückgegeben, sagt der Mann an der Kasse. Ähnliche Töne in einer Kneipe, ein paar hundert Meter weiter. Der Laden war am Samstagabend rappelvoll, sagt die Thekenfrau. „Gutes Trinkgeld, gute Gespräche. Soweit ich das mitbekommen haben, waren die möglichen Anschläge dabei kein großes Thema.“
Die Bremer Polizei dagegen war wegen der Warnung vor einem möglichen Anschlag seit Freitagabend im Alarmmodus. Am Samstagmorgen um 9:09 Uhr hatte sie erstmals über mögliche „Aktivitäten islamistischer Gefährder für die Stadtgemeinde Bremen“ berichtet. „Zur Abwehr dieser Gefahr“ würden „u.a. Schutzmaßnahmen im öffentlichen Raum“ ergriffen.
Der öffentliche Raum umfasste zunächst vor allem die historische Innenstadt. Vor dem Rathaus und rund um den St. Petri-Dom fuhren Mannschaftswagen auf, Beamte mit Maschinenpistolen patrouillierten über den Marktplatz. Auch vor dem Hauptbahnhof und vor der Synagoge standen am Samstag Polizisten. Die Jüdische Gemeinde der Stadt war von der Kripo bereits am frühen Morgen über die Terrorwarnung informiert worden. „Die Leute waren etwas überrascht, weil mit solchen Drohsituationen nicht zu rechnen ist“, sagte Grigori Pantijelew von der Gemeinde. Den Gottesdienst am Samstag und die Unterrichtsstunden danach habe die Jüdische Gemeinde aber trotz der Bedrohung abgehalten.
Noch am Samstag nahm die Polizei zwei Männer vorläufig fest, die beiden waren aber nach einigen Stunden wieder auf freiem Fuß. Zudem wurden mehrere Menschen in Gewahrsam genommen und Fahrzeuge sowie Wohnungen durchsucht. In der Nacht zu Sonntag durchkämmten Beamte das Islamische Kulturzentrum (IKZ). Die Einrichtung stand schon seit Monaten unter Beobachtung des Bremer Verfassungsschutzes.
Gestern Nachmittag informierten Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Bremens Polizeichef Lutz Müller über die Hintergründe des Großeinsatzes. Demnach ermitteln die Behörden gegen einen libanesischen Staatsangehörigen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz – Personen aus der Salafisten-Szene hätten versucht, an Waffen zu gelangen; ein möglicher illegaler Waffenkauf habe in Bremen abgewickelt werden sollen. Als am Freitag entsprechende Erkenntnisse der Bundesbehörden eintrafen, seien „alle Lampen auf Rot gegangen“, sagte Mäurer. „Ein Anschlag in Bremen war nicht mehr auszuschließen.“ Polizeichef Müller räumte ein, dass bei den Durchsuchungen keine Waffen gefunden wurden. Die Gefährdungssituation habe sich „relativiert“. Der Einsatz werde zurückgefahren, laufe aber weiter.
Bremen ist innerhalb von sechs Wochen die dritte deutsche Stadt, in der sich eine Warnung vor gewaltbereiten Islamisten gravierend auf das öffentliche Leben auswirkt. Mitte Januar waren in Dresden wegen Drohungen gegen die Pegida-Demonstrationen alle öffentlichen Versammlungen verboten worden. In Braunschweig wurde vor zwei Wochen der größte Karnevalsumzug Norddeutschlands abgesagt.
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