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Archiv-Artikel

Kunstwerke als Kleiderschmuck

Nur die schönsten werden selbst getragen: In Panama sind die Kuna-Yala-Frauen für ihre Kreativität beim Entwurf von Stoffapplikationen berühmt. Bis zu zwei Monate dauert es, bis eine gute Mola aus mindestens fünf Schichten fertig ist

KUNA-YALA-INFOS

Anreise: Nach Panama fliegt Iberia montags, mittwochs und freitags direkt via Madrid ab 1.058 Euro, an den anderen Wochentagen mit Zwischenstopp in Costa Rica. Delta Airlines fliegt, wenn auch zeitraubend, via Paris und Atlanta täglich nach Panama-Stadt ab 650 Euro. Der Flug vom Inlandsflughafen Albrook mit Aeroperlas (www.aeroperlas.com) oder Air Panama (www.flyairpanama.com) nach El Porvenir kostet um die 60 Euro. Die Ankommenden werden bei Vorbuchung am Flughafen abgeholt. Vor Ort gibt es aber immer Personen, die Gästen ohne Hotelzimmer bei der Suche behilflich sind.

Übernachtung: Hotel „El Porvenir“, Vollpension ab 28 Euro. Kuna Niskua Lodge auf Wichubwala, Vollpension 32 Euro, Getränke nicht inbegriffen. Ein Stelzenhaus auf Wailydup mit Vollpension ab 72 Euro. Tel.: (0 05 07)-2 99 90 11/0 05 07 66 86 10 86, www.kunaniskua.com, E-Mail: kuna-niskua@hotmail.com.

Sehenswürdigkeiten: Das Museum von José Davis auf Sugdup, Kuna Yala Museum auf El Porvenir. Dort wird dem Besucher auch ein Video mit der Pubertätszeremonie und anderen traditionellen Festen der Kuna gezeigt. Eintrittspreis auf Spendenbasis.

Reiseinformationen www.visitpanama.com/eng/, www.carilat.de, „Mapa de Comunidades, Recursos Turísticos y Servicios del Golfo de Kuna Yala“ mit vorgeschlagenen Touren durch den Archipel nur auf El Porvenir erhältlich. Bevorzugte Reisesaison ist November bis April.

VON HANS-ULRICH DILLMANN

Gilberto Almancia schaut aus dem Fenster und zeigt auf eine winzige Insel, die unten im Meer liegt. Während sich Sugdup, die panamesische Insel, auf der er geboren wurde, am Horizont verliert, legt sich die achtsitzige Maschine in eine Linkskurve. Schrill quietschen die Reifen bei der Landung auf der gerade mal 300 Meter langen Landepiste. „Willkommen in El Porvenir, der Hauptstadt von Kuna Yala“, sagt ein Mann und nimmt die Koffer in Empfang.

Das Abfertigungsgebäude besteht aus vier Pfählen und einem Dach aus Palmblättern. Die Ankunft zweier Flugzeuge bildet die einzige Verbindung mit dem Festland – und den Höhepunkt des Tages. Nach einer Viertelstunde ist auch die zweite, täglich hier landende Propellermaschine wieder gen Panama-Stadt verschwunden. Jetzt ist nur noch das Rauschen der Palmen im Wind und Meeresbrandung auf dem Eiland zu hören, auf dem zwei Dutzend Menschen leben.

Gilberto Almancia lädt zum Besuch seiner Familie ein. Der kleine Außenbordmotor des Bootes knattert. In der Bugwelle tanzen die kleinen, Cajucos genannten Einbaumkajaks. Lachende Frauen winken zwischen zwei Ruderbewegungen. Ihre goldenen Nasenringe blitzen im Sonnenlicht, und ihre Molas, die Blusen mit den rot- und orangefarbenen Stoffapplikationen, kontrastieren mit dem türkisfarbenen Meer und dem kräftigen Blau des Himmels.

Sugdup ist wie alle bewohnten Inseln der Kuna-Region eine riesige Nähstube. Knapp tausend Menschen leben auf dem winzigen Eiland. Die Frauen wetteifern miteinander, wer die schönsten und originellsten Molas genäht hat.

Die Familie von Gilberto Almancia lebt am äußeren Ende der fast kreisrunden Insel. Es gibt nur einen Raum, in dem am Abend die Hängematten aufgehängt werden, und in dem die ganze Familie schläft sowie eine separate Küche. Neben dem Haus ist das Kanu an einem schmalen Plankensteg vertäut.

Jeden Tag greift Almancias Mutter zu Nadel und Faden und arbeitet an ihren Motivbildern aus Stoff. „Sechs bis acht Stunden nähe ich“, erzählt Cristina. In der Sprache der Kuna wird sie Siaguaru gerufen, ein Name, den sie mit dem Eintritt der Pubertät erhalten hat. Und erst nach der mit großem Pomp gefeierten Pubertätszeremonie beginnen die jungen Frauen den in dunklen Farben gehalten Saburet, den Wickelrock anzuziehen, dann die mit Stoffapplikationen verzierte Dunnet genannte Bluse – und die Winis anzulegen, die aus tausenden von kleinen Perlen aufgereihten Arm- und Beinketten. Dazu tragen sie einen halb offenen goldenen Nasenring.

Was die Kuna-Nähkunst in aller Welt berühmt gemacht hat, sind jedoch die kunstvol- len Mola-Stoffapplikationen, die sich die Frauen auf Brust und Rücken ihrer Blusen nähen. Ursprünglich benutzten die Frauen nur rot für den Grundstoff, auf denen die Muster, Formen und Figuren appliziert werden. Aber inzwischen haben auch leuchtende Blaufarben Einzug gehalten. Junge Frauen experimentieren mit grellen Stoffen, mixen diese mit Pink und Neongrün.

Waren es früher vornehmlich runde und eckige Ornamente, so findet man heute auf den Molas vornehmlich skurrile Tiermuster. Katzen, Bären, Tapire, Reiher, Kormorane, Fische oder Delfine, Schlangen und Alligatoren beflügeln die Fantasie der Frauen beim Entwurf, aber auch Elefanten und Kamele. „Die Vorlagen suche ich mir in alten Zeitungen heraus, die die Touristen manchmal zurücklassen und die wir unter uns austauschen“, erzählt Cristina.

Bis zu zwei Monate braucht die 66-Jährige für eine gute Mola. Über ihrer Handfläche hält sie ein dunkelblaues, fast schwarzes, etwa 40 mal 30 Zentimeter großes Stoffstück. Darauf hat sie mit Reihstichen einen kleineren, rahmenähnlich ausgeschnittenen Orangestoff befestigt. Auf der gleichen Ebene in den Freiraum ist ein lilafarbenes Tuch gereiht, in dessen innere Aussparungen wiederum Stücke des apfelsinenfarbenen Stoffes.

„Wenn ich das alles mit unsichtbarem Stich vernäht habe, kommt die nächste Lage von unterschiedlich farbigem und ausgeschnittenem Stoff darauf“, sagt Cristina und schaut kaum von ihrer Näharbeit im Schatten des Hauses auf. „Das wird ein Katzengesicht.“ Eine gute Mola besteht aus mindestens fünf Schichten. Für viele Kuna-Familien ist der Verkauf der Molas häufig die einzige Einnahmequelle. Aber nur die besten und schönsten werden von den Frauen selbst getragen. „Je nach dem löse ich die Fäden und nähe mir zwei Molas mit anderen Mustern auf meine Bluse auf.“

Inzwischen haben sich auch die beiden Töchter zur Mutter auf die Bank aus dünnem Bambusrohr mit ihren Mola-Näharbeiten gesetzt. Auch die Nachbarinnen wollen ihre Designkunst gewürdigt wissen – in der Hoffnung, die eine oder andere Mola dem Besucher verkaufen zu können. Oder für ein Foto zu posieren: Pro Bild einen US-Dollar verlangen alle dafür.

Auf der Nachbarinsel Diadup lädt ein Ausrufer Frauen und Kinder zu einem Treffen im Gemeinschaftshaus des Dorfes. Fast auf die Minute genau versinkt um 18 Uhr die Sonne ins karibische Meer. Aus dem Versammlungsraum ist getragener Gesang zu hören. Im Zentrum schaukeln die drei Dorfvorsteher in ihren angestammten Hängematten. Ein kleines Mädchen drückt sich die Nase an den Holzlatten platt und schaut neugierig durch einen Spalt ins Innere. Dann wird sie von ihrer Mutter in das dunkle Innere des Hauses gezogen. Etwas verspätet kommen drei junge Kuna-Frauen in ihrer Tracht. An den Füßen tragen sie Flipflop-Sandalen.