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Archiv-Artikel

Gesangslehrer der Außenminister

Mit Frank-Walter Steinmeier und Bernard Kouchner hat der 23-jährige Sänger Muhabbet gestern einen „Deutschland“-Song aufgenommen. Seit gestern Abend ist er im Internet FOTO: WOLFGANG BORRS

„Komm runter, komm endlich klar“, säuselt Muhabbet im orientalischem Singsang: „dein Urteil ist nicht wahr, Vergiss doch mal das Schwarze Haar“. Dann stimmen Frank-Walter Steinmeier und Bernard Kouchner ein: „Deutschland, warum verschließt du dich, Deutschland, leg‘ deine Karten auf den Tisch“, singen der deutsche Außenminister und sein französischer Amtskollege im Chor mit acht deutsch-türkischen Hintergrundsängern. Die braucht es wohl, um Missklänge zu übertönen.

„Deutschland“ heißt der Song, den das seltsame Trio gestern in einem Tonstudio in Berlin-Neukölln eingespielt hat. Frank-Walter Steinmeier nutzte die Tagung des deutsch-französischen Ministerrats, um seinen Kollegen Kouchner zu einem Abstecher vors Mikrophon zu bewegen. Beim Ministerrat steht in diesem Jahr das Thema „Integration von Einwanderern“ auf der Tagesordnung, da passte der Fototermin mit deutsch-türkischen Rappern in einem „Problemkiez“ natürlich prima ins Programm.

Den Songtext geschrieben hat der 23-jährige Murat Ersen, der den Künstlernamen Muhabbet trägt (mehr Strophen siehe Seite 7). Der Sänger, der den beiden Außenminister das Singen beibrachte, wird gerne als Vorzeigemigrant heran gezogen, er engagiert sich auch für SOS Kinderdörfer und gegen Schulgewalt. Aufgewachsen in einer typischen „Gastarbeiter“-Familie in Köln-Bocklemünd, stieg Muhabbet mit soften Balladen über Liebesleid und Liebesschmerz in den vergangenen Jahren zum Idol vieler deutsch-türkischer Jugendlicher auf. Seine Mischung aus R‘n‘B mit den Gesangsmustern der türkischen Arabesk-Musik brachte er selbst auf den Begriff „R‘n‘Besk“.

Kennen gelernt haben sich Steinmeier und Muhabbet, als dieser den deutschen Außenminister im vergangenen Jahr auf einer Amtsreise in die Türkei begleitete und dort auftrat. Für sein kleines, deutsch-türkisches Plattenlabel, das in einem Hinterhof an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln residiert, ist das Treffen mit den prominenten Politikern ein Coup. Für Steinmeier dagegen dürfte es Bestandteil seiner Charme-Offensive sein, mit der er das Image des gefühlslosen Bürokraten abzustreifen hofft, das ihm seit der Affäre um den auf Guantanamo inhaftierten Deutsch-Türken Murat Kurnaz anhängt: Eine perfekte Paarung von Kalkül und Gefühl also.

Man kann das als reine PR-Aktion abtun. Aber dass sich Steinmeier und Kouchner einreihen, um an der „Deutschland“-Hymne eines deutsch-türkischen Musikers mitzuwirken, der aus seiner Migrantenperspektive erzählt, hat dennoch einen gewissen Witz: Integration, einmal andersherum.

DANIEL BAX