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Archiv-Artikel

ANDREAS ZUMACH ÜBER NETANJAHUS REDE VOR DEM US-KONGRESS Gewiefter Stratege

Netanjahu lenkt mit der Beschwörung der iranischen Atombombe von seiner Palästina-Politik ab

Wie verzweifelt muss jemand sein, um eine solch absurde Rede zu halten wie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress? Eine Rede, gespickt mit vom eigenen Geheimdienst längst widerlegten Lügen und Übertreibungen. Eine Rede voller Anwürfe gegen die USA, immerhin dem wichtigsten Verbündeten Israels.

Möglicherweise war Netanjahus Auftritt keineswegs paranoid, sondern folgte – inklusive des Affronts gegen die Obama-Administration – einem Kalkül. Zum einen, um seinen Sieg bei den anstehenden Wahlen zu sichern. Zum anderen könnte Netanjahu mit seiner Beschwörung der iranischen Atombombe von seiner desaströsen Palästina-Politik ablenken, die für Israel tatsächlich die größte Gefährdung darstellt. Gelungen ist ihm das schon einmal, nach Obamas Kairoer Rede 2009.

Auch diesmal könnte der Plan aufgehen. Mit der Rede hat Netanjahu die Republikaner in ihrer Absicht ermuntert, neue Sanktionen gegen Teheran zu verhängen. Das könnte die laufenden Verhandlungen gefährden oder den Iran sogar dazu bewegen, das Zwischenabkommen aufzukündigen und das eingefrorene Programm zur Urananreicherung wieder hochzufahren.

Doch selbst wenn die Verhandlungen eine Vereinbarung erbringen sollten, ist ein Abkommen noch längst nicht ratifiziert, die von Teheran angestrebte Aufhebung der Wirtschaftssanktionen noch längst nicht vollzogen. Die Republikaner werden Obama keinen außenpolitischen Erfolg gönnen und eine Ratifizierung des Abkommens weitestmöglich verhindern. Das wiederum könnte dazu führen, dass der Iran zurück auf Konfrontationskurs geht. Nicht auszuschließen, dass Netanjahu nicht nur seine Wiederwahl gewinnt, sondern sich – nicht zuletzt dank seiner Rede – auch als Sieger über Obama fühlen darf.

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