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Archiv-Artikel

Zwischen Worten wandern

Einige werfen ihre Muttersprache einfach weg, andere übersetzen ganze Passagen: Der Jonglage dreier AutorInnen, die nicht nur nach Deutschland, sondern auch in die deutsche Sprache emigrierten, widmet sich das neue Bremer Literaturfestival „globale“

„Sprachnomaden“ nennt sie Heike Müller vom Bremer Literaturhaus. Gemeint sind AutorInnen, die nicht nur in ein fremdes Land, sondern auch in eine fremde Sprache emigrierten, in diesem Falle eben ins Deutsche. In Bremen bekommen sie jetzt ein eigenes Literaturfestival. Es heißt „globale – „das Festival der transkulturellen Gegenwartsliteratur“, wie es sich selbst etwas sperrig definiert.

„Erst in der deutschen Sprache wird mein eigenes Zuhause für mich selbst hörbar“, schreibt Marica Bodrožić in ihrem jüngst bei Suhrkamp erschienenen Prosaband „Sterne erben. Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern.“ Überraschend ist dieser Satz vor allem deshalb, weil die Autorin 1973 im heutigen Kroatien geboren wurde. Mit zehn Jahren kam sie mit ihren Eltern – damals noch „Gastarbeiter“ genannt – nach Deutschland. Doch erst in der deutschen Sprache, sagt sie heute, lernte sie, „an das Leben zu glauben“. Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobt sie für die „immer vibrierende Spannung“ in ihrer Sprache.

Jetzt ist Marica Bodrožić in Bremen bei der „globale“ zu Gast, gemeinsam mit der Deutsch-Türkin Emine Sevgi Özdamar und dem Deutsch-Polen Artur Becker, der heute in Verden an der Aller lebt. Für das kommende Jahr plant Bremen ein viertägiges Festival, begleitet von einer wissenschaftlichen Tagung unter dem Titel „Die Statthalter des Fremden in der Heimat“. Organisiert wird das Ganze unter anderem von Radio Bremen, dem örtlichen Literaturhaus und dem Literaturkontor sowie dem „Zentrum der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder“, dem Exil-P.E.N. also. Deren Präsident Wolfgang Schlott ist Professor für osteuropäische Geschichte und Literatur an der Uni Bremen.

Artur Becker, 1968 in Bartoszyce in der Nähe der russischen Grenze geboren, war einst sein Doktorand. Doch er brach ab. Denn er wollte keine Wissenschaftsprosa schreiben, sondern Romane. Und er hatte Erfolg damit. Bis 1989 schrieb er polnisch. Dann wechselte er die Sprache, und arbeitet heute als freier Schriftsteller und Übersetzer. Bereits sein erster auf Deutsch verfasster Roman „Der Dadajsee“, der im Jahr 1997 erschien, wurde gleich vielfach preisgekrönt.

Immer wieder geht es bei Becker um die Erfahrungen polnischer Einwanderer in Deutschland. Und auch Emine Sevgi Özdamar – als gelernte Schauspielerin manchem auch aus Filmen wie „Yasemin“, „Happy Birthday, Türke“ oder „Reise in die Nacht“ bekannt – schreibt meist über Migration und Heimatsuche. Ihre Sprache ist dabei das eher gebrochene Deutsch der „Gastarbeiter“, mithin eine Sprachsymbiose, einem um verwestlichtes Türkisch angereicherten Deutsch. Bisweilen übersetzt sie dafür türkische Sprichwörter auch ganz und gar wörtlich ins Deutsche.

Becker hingegen hat, das sagt er selbst, das Polnische „weggeworfen“ wie einen „verfaulten Apfel“. Das Deutsche habe er dagegen aufgenommen „wie einen Findling“. Doch am Ende wollte er einfach „vergessen“, ob es das Deutsche oder das Polnische war, das er gerade benutzte. Und „nationale Literaturen“, seien ohnedies „ein Irrsinn“, findet der Schriftsteller. JAN ZIER

Die Veranstaltung findet morgen um 19 Uhr in den Räumen der Bremer Shakespeare Company im Theater am Leibnizplatz statt. Nach der Lesung diskutieren die AutorInnen über ihre Erfahrungen mit Sprache.