: Blitze und Beton
Radio Bremen stellt sein neues Funkhaus vor. Der Intendant findet es gelungen, aus den Reihen der Mitarbeiter hagelt es harsche Kritik. Einige fühlen sich darin wie Legehennen und verstehen überhaupt nicht, warum es auf der Intendantenetage sogar Duschbäder gibt
VON FELIX ZIMMERMANN
In den letzten Jahren, sagt Radio-Bremen-Intendant Heinz Glässgen, habe sein Sender wenig nach außen getragen von dem, „was wir gemacht haben“. Dabei ist so vieles geschehen, vor allem im Inneren. Glässgen spricht von den „tiefgreifendsten Veränderungen“ für Radio Bremen, es gab weniger Geld von der ARD, die Zahl der Mitarbeiter wurde von 700 auf 400 gedimmt, der kleine Sender musste viel aus seinem Etat streichen, „das war eine Tortur“. Jedes Jahr, so Glässgen, „fehlten 10 Millionen Mark“.
Alte Währung, alte Geschichten. Glässgen erzählt sie im neuen Funkhaus im Faulenquartier, mitten in der Innenstadt. Da sei der Sender jetzt endlich bei den Menschen, „ihren Sorgen, Nöten und Freuden“. Zuvor war Radio Bremen über mehrere Standorte verteilt, zum Teil auch draußen auf der grünen Wiese. Das Beste: Der Sender spare durch Neubau und Umzug auch noch Geld. Immer wieder sagt Sprecher Michael Glöckner bei dem Rundgang durchs neue Haus, man sei der Devise „Investieren, um zu sparen“ treu geblieben. Und so oft, wie er das anbringt, hat man das Gefühl, er habe sich vorgenommen, diesen für ihn offenbar magischen Satz in die Blöcke der anwesenden Medienleute zu diktieren. Am liebsten würde er ihn vielleicht selbst hineinschreiben.
Das neue Haus sind eigentlich drei Häuser, die durch einen stilisierten Blitz miteinander verbunden sind, wie Sprecher Glöckner sagt, durch gläserne Brücken zwischen den Gebäudeteilen. Die könnten, schießt es einem durch den Kopf, schnell abgebrochen werden, der Blitz also gleichsam erlöschen, sollte der Sender eines Tages aus der ARD gestrichen werden und nur noch, nun ja, als Landesfunkhaus des großen NDR benötigt werden. Hatte Glässgen nicht gesagt, die Gegenwart von Radio Bremen sei sicher, die Zukunft aber sorge ihn, wenn die Rundfunkgebührenerhöhung mager ausfalle?
Ob die Architektur so genial ist, dafür schon jetzt eine Lösung anzubieten, ist sehr die Frage. Neben den symbolischen Blitzen nimmt der Betrachter vor allem grauen Beton mit hinaus. Der gefällt Architekten immer sehr, anderen nicht so, aber im neuen Funkhaus lässt er zumindest Erinnerungen an das aufkommen, was vorher dort stand: ein Parkhaus.
Viel wichtiger als die Kosmetik aber ist die Frage nach der Funktionalität, und die muss gut gelöst sein, wenn man Glässgen glaubt. Das Haus sei maßgeschneidert, nur das neue Radio Bremen habe darin Platz gefunden, ein Sender also, wie es ihn von jetzt an erst gibt. Was vorher war, hatte nur den selben Namen. In den Redaktionen wird fortan trimedial gearbeitet, TV-Teams fahren raus und bringen Töne fürs Radio mit, und was besonders wichtig erscheint, soll sofort ins Internet gestellt werden, online first auch hier also. Alle sollen an allen Arbeitsplätzen alles machen, so sieht es aus in Radio Bremens neuem Haus, und das heißt: Großraumbüros für viele, Radioleute, TVler und Onliner im selben Raum.
Glässgen findet für die konzeptionelle Phase, als man mit dem Architekten zusammen plante, einen hübschen Vergleich: Wenn einer ein Haus baue, dann müsse er sich ja auch fragen, wie viele Bäder er haben wolle. Für manch einen im Hause Radio Bremen ist das ein gutes Stichwort, um mitzuteilen, wie man den Neubau, das neue Konzept und die damit erklärte Raumaufteilung auch sehen kann. Bäder: Auf der Intendantenetage gibt es gleich mehrere davon, angeschlossen an komfortable Büros. „Es herrscht Platzmangel, wo journalistisch gearbeitet wird, und Flächenverbrauch in der Leitungsebene“, sagt ein Mitarbeiter.
Die Duschbäder mögen klein sein, aber dass es sie überhaupt gibt, stößt vielen auf. Der Personalratsvorsitzende Bernd Graul berichtet von Klagen aus der Kulturredaktion, die sich wahlweise „wie Legehennen oder wie in einer Nähmaschinenhalle in Thailand“ fühlten. Konzentriert arbeiten, mal in Ruhe ein Telefongespräch führen, vielleicht ja auch vertraulich – das könne man dort nicht. Graul nennt die Großraumbüros einen „Sprung zurück in die 70er Jahre“, er hofft, dass durch Regale oder Trennwände wenigstens ein Minimum an Schallschutz erzeugt werden kann.
Glässgen weist die Kritik zurück. Da machten die den Mund auf, die bislang in Einzelzimmern gesessen haben. Die könne man sich jetzt aber nicht mehr leisten.