: Mitten ins Thema Patriarchat
betr.: „Nix für ungut!“
Herzlichen Dank an den Vater für seinen offenen Brief. Als Lehrerin einer alten Tantra-Yoga-Tradition aus Zentralasien arbeite ich mit der Sexualität in Verbindung mit der Spiritualität. Ob das sexuelle Empfinden nach einer Beschneidung stärker ist, bezweifel ich stark. Da durch die Beschneidung eine Wunde und Narbengewebe entsteht, ist der Penis dann eher weniger sensibel. Bei Männern, die unter einer Vorhautverengung leiden, kann dieser Eingriff jedoch eine schmerzfreie und damit stärkere Sexualität ermöglichen.
Einen Vorteil für uns Frauen hat dieses Geschehen, nämlich eine deutliche Verminderung des Gebärmutterkrebses. Unter der Vorhaut bildet sich gerne ein feuchtes Milieu, in dem sich der Erreger sehr wohlfühlt und durch den Geschlechtsverkehr in die Vagina und Gebärmutter gelangt. Die Auswirkungen der Human-Papilloma-Viren auf den Mann sind bis jetzt nicht erforscht. Die Beschneidung würde insofern auch die momentane Diskussion über die HPV-Impfung an jungen Mädchen überflüssig machen, die, wie sich langsam herausstellt, doch nicht ohne Nebenwirkungen ist. Eigentlich sollte es aber möglich sein, durch eine tägliche, selbstverständliche Hygiene diese Erkrankung zu reduzieren.
Aus spiritueller Sicht kann ich diesen Eingriff, der normalerweise an einem acht Tage alten Baby durchgeführt wird, nicht als Initiation deuten. Die erste, natürliche Initiation, die Geburt, ist zu diesem Zeitpunkt von dem neuen Erdenbürger noch lange nicht integriert und benötigt noch viel Zeit. Wenn sich der ursprüngliche Grund für die Beschneidung auf die Genesis zurückführen lässt: „Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden“, frage ich mich, ob es noch andere Auslegungen darüber gibt. Handelt es sich möglicherweise um eine andere Ebene? Nicht die materielle, sondern die energetische? Das wiederum führt uns mitten ins Thema des Patriarchats … SHAKTI TJANA-MARJA, Freiburg
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