: Verhandlungstisch in Berlin
JEMEN Es zeichnet sich eine neue internationale Front ab, die an den Kalten Krieg erinnert. Deutschland, Oman und die Niederlande gelten als neutral
■ leitet das Center for Applied Research in Partnership with the Orient (Carpo) in Bonn. Sie beschäftigt sich seit 2008 wissenschaftlich und als Beraterin mit dem Jemen.
Der Jemen wird derzeit von zwei Städten aus regiert: Seit dem Staatsstreich von Februar reagieren die Huthi-Rebellen von der eigentlich Hauptstadt Saana aus, währenddessen Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi am 21. Februar zurücktreten musste und nun von Aden aus seine Politik verfolgt. In einer Überschätzung ihrer eigenen Macht verweigern die Huthis Gespräche an einem dritten Ort im Jemen – dabei werden sie sich nur durch Verhandlungen ihren Anteil an der Macht im zukünftigen Staatsgefüge sichern können. Aber auch die internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung.
Delegierte des „neuen Jemen“
Es hätte alles auch ganz anders laufen können: Die Huthis, eine schiitische Rebellengruppe aus dem Norden des Jemen, die erst im Rahmen der Proteste von 2011 in der Hauptstadt Sanaa politisch Fuß fassen konnte, hatten sich in den nachfolgenden Verhandlungen im Rahmen der Nationalen Dialogkonferenz (NDK) als konstruktiver Akteur präsentiert. Mit ihren Ideen für einen „partizipativen Staat“ präsentierten sich ihre Delegierten als Visionäre für die Zukunft eines „neuen Jemen“.
Dass sie zeitgleich im Norden des Landes zunehmend mehr Territorium unter ihre Kontrolle brachten und sich hier Kämpfe mit tribalen Milizen unterschiedlicher Couleur lieferten, wurde zwar mit Sorge betrachtet, galt aber nicht als Gefahr für den Staat als solchen – die Huthis schienen hauptsächlich auf den Norden begrenzte Ambitionen zu haben. Doch im September 2014 nahmen sie mithilfe einer strategisch klugen Eskalationsstrategie die Hauptstadt selbst ein. Daran sind sowohl Präsident Hadi als auch die internationale Gemeinschaft schuld.
Ersterer hatte ihr Vordringen 2014 unter anderem dadurch gefördert, dass er keine zusätzlichen militärischen Einheiten zu ihrer Bekämpfung in das nördlich von Sanaa gelegene Gouvernorat Amran schickte. Er wollte sich so politischer Rivalen entledigen – mit Erfolg. Die internationale Gemeinschaft war vor allem um die Stabilität des Jemen besorgt – und versagte darüber gleich mehrfach. Zum einen garantierte sie dem damaligen autoritär herrschenden Präsidenten Ali Abdullah Saleh für seinen Rücktritt 2011 Immunität. Er blieb daher im Lande und setzte in der Folge alles daran, den Jemen zu destabilisieren. Spätestens seit 2014 unterstützt er die Huthis mit den ihm noch immer nahestehenden Sicherheitskräften.
Darüber hinaus wurden nichtstaatliche Akteure zwar in die NDK eingebunden, nicht jedoch in die Regierungsgeschäfte. Die Huthis konnten daher 2014 die Regierung erfolgreich für die weitere Instabilität im Land und die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich machen und sich der Bevölkerung als legitime, „revolutionäre“ Alternative präsentieren.
Und schließlich ist es auch die Politik des UN-Sondergesandten für den Jemen, Jamal Benomar, der den Huthis zu Legitimität verholfen hat: Durch die Aushandlung eines Abkommens zwischen ihnen und Hadi nach deren Einnahme Sanaas segnete er ihr gewaltsames Vorgehen implizit ab.
Huthis und Iran
Mit zwei Regierungen und Regierungssitzen befinden sich alle Akteure nun in einer schwierigen Lage, die durch die internationalen und regionalen Verwerfungen weiter eskaliert wird: Die Huthis werden unterstützt von Iran (und der Hizbollah) sowie von Russland und China. Diese Länder sind – mit der Ausnahme von Oman – die einzigen, die ihre Botschaften im Februar nicht geschlossen haben.
Demgegenüber steht Hadi, der in seinem Anspruch auf die „legitime Präsidentschaft“ unterstützt wird von den Golfstaaten sowie durch die USA und Großbritannien. Auch der UN-Sicherheitsrat bezeichnete Hadi als legitimen Präsidenten.
Innenpolitisch wird es für die Huthis zunehmend schwierig: Saudi-Arabien, Weltbank und IWF haben ihre Zahlungen an den jemenitischen Staat eingestellt, dessen Bankrott steht daher unmittelbar bevor. Zudem haben die Huthis durch ihre brutale Vorgehensweise gegen Oppositionelle und friedlich Demonstrierende sowie durch ihr weiteres Vordringen gen Süden ihren Rückhalt in der Bevölkerung weitgehend verloren. Wenn die Huthis ihre Milizen und die sie tragenden Akteure im Staatsapparat nicht mehr bezahlen können, werden diese sich schnell anderen zuwenden. Dann ist der Weg für die moderaten Huthis frei, die im vergangenen Jahr durch die Huthi-Milizen marginalisiert wurden. Die sich abwendenden Milizen würden sich dann womöglich Saleh anschließen, der über ausreichend finanzielle Mittel verfügt.
Hadi und Saudi-Arabien
Wollen die Huthis sich langfristig ein Stück vom Kuchen der staatlichen Ressourcen sichern, müssen sie sich also mit den anderen Parteien einigen. Nachdem die Huthis jedoch alle bisherigen Vereinbarungen gebrochen haben, werden sie wohl erst dann verlässlicher werden, wenn ihnen finanziell und militärisch die Puste ausgeht. Ihre letzten Drohgebärden lassen genau dieses vermuten. Daher ist es umso bedauerlicher, dass man sich bislang nicht auf einen dritten Ort für weitere Verhandlungen einigen konnte.
Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft eine weitere Polarisierung der Fronten vor Ort durch ihr eigenes Agieren vermeidet und stattdessen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln den notwendigen Druck auf alle Parteien aufbaut. Sollten sich die Parteien nicht auf einen Verhandlungsort im Jemen einigen können, wäre auch ein Treffen außerhalb des Landes denkbar. Eine solche Zusammenkunft, wie von Hadi vorgeschlagen, in Riad abzuhalten ist angesichts der klaren Positionierung Saudi-Arabiens im aktuellen Konflikt absurd. Als neutral wahrgenommene und von allen Seiten anerkannte Staaten kämen wohl eher Oman, Deutschland oder die Niederlande in Frage.
Vor allem Deutschland genießt aufgrund seiner jahrzehntelangen Beziehungen zum Jemen und der nach 2011 erfolgten Unterstützung des Übergangsprozesses großes Vertrauen im Jemen. Es könnte seine diplomatischen und entwicklungspolitischen Kanäle dazu nutzen, eine politische Lösung des Konfliktes zu erleichtern. Alle Parteien wissen, dass sich dieser Konflikt nur am Verhandlungstisch lösen lässt, und vielleicht steht der genau in Berlin. MARIE-CHRISTINE HEINZE