LESERINNENBRIEFE
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Anerkannter Reisepass

■ betr.: „A Taiwanese passport is a piece of shit!“, taz vom 24. 2. 15

Mit großer Enttäuschung habe ich den Beitrag von Katharina Borchardt in der Rubrik „Gesellschaft und Kultur“ gelesen, wobei ich vor allem über die Überschrift „A Taiwanese passport is a piece of shit!“ sehr entsetzt war. Der Titel überschattet bedauerlicherweise den positiven Inhalt des Beitrags.

Der Reisepass der Republik China (Taiwan) ist kein „piece of shit“, sondern ein wertvolles Reisedokument, mit dem die taiwanischen Bürger und Bürgerinnen weltweit visumsfrei in über 140 Länder einreisen können. Im Jahr 2011 erteilte die EU den Taiwanern und Taiwanerinnen das Recht auf eine visumsfreie Einreise. Im Jahr 2012 folgten die USA diesem Beispiel. Die bekannte britische Reise-Website „move hub“ gab im Juni 2014 bekannt, dass der taiwanische Reisepass laut einem sogenannten „Reisepass-Ranking“, das besagt, wie viele Länder visumsfrei besucht werden können, Platz 22 belegte. Das heißt, der taiwanische Reisepass wird von anderen Ländern ernsthaft anerkannt und unsere Landsleute werden im Ausland warmherzig aufgenommen.

Taiwan ist zwar von der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen, aber es entspricht nicht der Wahrheit, wie im Interview von Herrn Hoffmann behauptet, dass es „ein großes berufliches Hindernis“ für junge Taiwaner und Taiwanerinnen bedeutet, weil „ihr Land als solches offiziell nicht existiert.“ Im Gegenteil gibt es zahlreiche junge Leute aus Taiwan, die im Ausland gut integriert und in ihrem Beruf überaus erfolgreich sind.

Ebenso möchte ich der Behauptung widersprechen, dass Präsident „Mas Kurs zu chinafreundlich“ sei. Präsident Ma Ying-jeou ist für seine Annährungspolitik gegenüber Festlandchina sowohl von Deutschland als auch von der Europäischen Union gelobt worden. Seine Festlandpolitik stützt sich auf drei Säulen: keine Wiedervereinigung, keine Gewaltanwendung und keine Unabhängigkeit. In Hinblick auf die Frage der Souveränität unseres Landes hat Präsident Ma niemals nachgeben. WEN-CHIANG SHEN,

Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin

Offene Grenzen

■ betr.: „Deutschland ist nicht Kanada“, taz vom 4. 3. 15

Es gibt einen riesigen Unterschied zu Kanada, da Deutschland offene Grenzen zu vielen Nachbarstaaten besitzt, in denen die Arbeitsbedingungen oftmals wesentlich besser sind. Und das eigentliche Problem für den zunehmenden Fachkräftemangel liegt vor allem darin, dass viele Unternehmen trotz angeblicher Erfolgsmeldungen immer noch nur äußerst halbherzig ausbilden und der Bologna-Prozess an den Hochschulen bis heute katastrophal umgesetzt wurde. Nur eine Politik, die die in allen Bundesländern fehlenden Masterstudienplätze auf ihre Tagesordnung setzt, tritt glaubwürdig auf. Und gerade die SPD gut daran tut, sich wieder stärker auf die Devise von Willy Brandt zu besinnen, wonach der Bund bei der Bildung eine aktive Rolle einnehmen muss! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Fluchtursachen werden verstärkt

■ betr.: „Deutschland ist nicht Kanada“, taz vom 4. 3. 15

Ob Punktesystem, Green oder Blue Card – die Zuwanderung soll nach dem Nützlichkeitsprinzip gesteuert werden. Da spielt es keine Rolle mehr, ob Menschen in ihren Herkunftsländern verfolgt oder sogar gefoltert werden, ob sie vor Krieg und Hungersnot fliehen – nein, man will nur diejenigen ins Land lassen, die unsere Wirtschaft braucht, die für die Aufrechterhaltung unseres Wohlstandes nützlich sind. Junge, gut ausgebildete Fachkräfte, möglichst mit Hochschulabschluss, sollen nicht nur hereingelassen, sondern aus aller Welt „angelockt“ werden.

Dieser „Brain Drain“, der Transfer solcher Fachkräfte aus armen in die reichen Länder, schädigt die Herkunftsländer mehrfach: 1. fehlen diese Fachleute dort, 2. war die teure Ausbildung (für die betreffenden Länder) eine Fehlinvestition, 3.werden Fluchtursachen verstärkt statt gemindert. Das immer wieder propagierte Ziel, Fluchtursachen in den Herkunftsländern durch Schaffung besserer Lebensbedingungen zu bekämpfen, wird durch diese Praktiken mit Füßen getreten. Und: Was für eine schäbige Verdrehung des Asylrechts, wenn nicht Menschen in Not, sondern „nur die Besten“ willkommen sind! WINFRIED EISENBERG, Herford

Was ist daran Kultur?

■ betr.: „Eine erschreckende Kultur des Leugnens“, taz vom 4. 3. 15

Empörung, Zorn, Aufrufe, Demonstrationen, mit welchem Aufschrei müssen wir, Leserinnen und Leser auf diesen Artikel reagieren? Kein Klischee fehlt, um die brutale Gewalt, die massenhaft sexistisch motivierten Verbrechen an Mädchen und Frauen in jüngster Vergangenheit zu beschreiben. Und wo: in England. Premier Cameron bezeichnet diese Brutalität, diese Barbarei einer vom Patriarchat geprägten Gesellschaft mitten in Europa als „erschreckende Kultur“. Was ist daran Kultur? Wo bleibt der Aufschrei auf der Titelseite der taz, in allen ernstzunehmenden Tageszeitungen, in den Nachrichten? Im Gegenteil: im Laufe der journalistischen Berichterstattung wird daraus „Kindesmissbrauch“, eine „nationale Bedrohung … die mit organisierter Schwerstkriminalität gleichgestellt“ werden soll. Damit, so hofft der Premier, „werde sich das Bewusstsein verändern“. Feministinnen warten seit Jahrzehnten darauf, dass sich das Bewusstsein von Männern verändert, um Taten zu verhindern, kämpfen unermüdlich, machen öffentlich, klagen an. Wie lange sollen wir noch warten, dass diese „Kultur“ sich verändert. KARIN SCHÜLER, Bonn