Balten musikalisch vereint

KLASSIK Die Sinfonietta Riga und die Geigerin Baiba Skride spielen sich beim Hamburger Konzert quer durch Litauen, Lettland, Estland und streifen dabei die Dualität der Welt

VON PETRA SCHELLEN

Baiba Skride bringt die Balten wieder zusammen. Jedenfalls ideell. Denn das Programm, das die lettische Geigerin und die Sinfonietta Riga jetzt in Hamburg spielen, liest sich wie eine Reminiszenz jener Wendezeit um 1989 herum, als Esten, Letten und Litauer singende Menschenketten bildeten und so der aufmarschierenden Sowjetmacht standhielten.

Die inzwischen mit internationalen Orchestern spielende Baiba Skride war damals erst acht Jahre alt, „aber dass da etwas Einzigartiges passierte: dass die Balten stolz waren und gegen die Sowjetunion zusammenhielten, habe ich verstanden“, sagt sie.

Inzwischen weiß sie, dass das ein Kairos, ein seltener historischer Moment war, und dass die nationsübergreifende Solidarität längst kapitalistischem Wettbewerb gewichen ist. Im Programm des Hamburger Konzerts finden sich aber Komponisten aller drei Staaten – wenn auch der Abend wegen der aktuellen lettischen EU-Ratspräsidentschaft stattfindet und natürlich ein wenig patriotisch gedacht ist.

Dazu gehört die eigene jüngere Geschichte, und deshalb gebührt ein gewichtiger Part dem 1946 geborenen lettischen Komponisten Peteris Vasks. Er hat noch miterlebt, wie die Sowjetmacht zwischen 1941 und 1949 Zehntausende Balten nach Sibirien deportierte. Und er hat diese Erfahrung permanenter Angst noch bis in die 1990er-Jahre hinein zwar nicht direkt, aber als emotionalen Schmerz in Kompositionen wie „Distant Light“ integriert.

Für die Jüngeren ist das passé, und um zwischen den Generationen eine Brücke zu schlagen, hat Sinfonietta-Chef Normunds Sne ein Stück des jungen Letten Oskars Herlinš aufgenommen. Herlinš bewegt sich zwischen Jazz, Rock und elektronischer Musik. Damit passt er gut zum 55-jährigen, international renommierten estnischen Ex-Rockmusiker und Komponisten Erkki-Sven Tüür, der unbekümmert Gregorianik und Minimal Music, Tonales und Atonales, Meditatives und Explosives vereint.

Und um die musikalische Reise durchs Baltikum zu vollenden, wird die Sinfonietta ein Stück der jungen Litauerin Juste Janulyte spielen. Janulyte, die sich als „Komponistin monochromer Musik“ bezeichnet, lässt in „Elongation of Nights“ zwei auf- und abschwellende Klangteppiche gegeneinander laufen, als gehe die Sonne gleichzeitig auf- und unter. Vielleicht geht es um Natur, vielleicht auch tief philosophisch um die Dualität der Welt – wer kann das schon wissen.

■  Sinfonietta Riga und Baiba Skride: 9. 3., 20 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz