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Archiv-Artikel

Kein guter Samstagnachmittag

STRÄHNE GERISSEN In Augsburg fängt sich der VfL Wolfsburg die erste Niederlage nach elf Spielen ein

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er trifft“

WOLFSBURGS TRAINER DIETER HECKING ÜBER DEN BISLANG EHER GLÜCKLOSEN ANDRÉ SCHÜRRLE

In der 59. Minute war für André Schürrle der Arbeits-Samstag beendet. Es stand noch 0:0 im Bundesliga-Spiel beim FC Augsburg, als Dieter Hecking den deutschen Weltmeister vom Feld holte und stattdessen Rechtsverteidiger Christian Träsch brachte. Der Trainer des VfL Wolfsburg wollte damit einen neuen Impuls setzen – nur vier Minuten später fiel das Gegentor.

Dominik Kohr reagierte am schnellsten, als Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio einen schwach geschossenen Strafstoß von Tobias Werner zur Seite abwehrte, und drückte den Ball zum 1:0-Siegtor über die Linie. Zuvor hatte VfL-Verteidiger Naldo im Strafraum Abdul Rahman Baba zu Fall gebracht. Schürrle musste sich die spielentscheidende Szene von der Bank aus anschauen, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Hinterher erklärte der 24-Jährige: „Der Elfmeter hat uns zurückgeworfen. Danach war es schwer.“

Nach elf Liga-Spielen in Folge ohne Niederlage musste sich der VfL mal wieder geschlagen geben. Dabei hätte nur noch eine Partie gefehlt zu einem neuen Klub-Rekord. Der datiert aus der Meistersaison 2008/09, als die Wolfsburger unter Felix Magath sensationell den Titel holten. Schürrle spielte damals noch in der A-Jugend von Mainz 05. Keine sechs Jahre später, im Januar 2015, wechselte er für 32 Millionen Euro vom FC Chelsea aus London zum VfL.

Gleich in seinem ersten Spiel bereitete Schürrle, der in England unter José Mourinho kaum mehr spielen durfte, zwei Tore vor und war am dritten maßgeblich beteiligt. Und so schien die Rekordablöse doch irgendwie gerechtfertigt.

Seitdem kam in sieben Partien jedoch nur noch eine weitere Torbeteiligung dazu, beim 2:0 am vergangenen Mittwoch im DFB-Pokal bei RB Leipzig und auch am Samstag in Augsburg enttäuschte Schürrle – zumindest gemessen an den Erwartungen, die 32 Millionen Euro nun einmal wecken. Von den Verantwortlichen gibt’s vorerst Rückendeckung: „Wir wissen, dass er es besser kann. Seine Zeit kommt noch, wir haben die Geduld“, sagt VfL-Manager Klaus Allofs. „Er versucht viel. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er trifft“, ergänzt Trainer Hecking.

Doch Schürrle wirkt zunehmend verkrampft, er will sein erstes Tor für Wolfsburg erzwingen – und steht sich damit häufig selbst im Weg. Was den Mann, der mit seiner Vorlage zum 1:0-Siegtor von Mario Götze im Finale gegen Argentinien großen Anteil am vierten deutschen WM-Gewinn hatte, auszeichnet: Er redet nichts schön. „In der ersten Halbzeit war ich überhaupt nicht im Spiel“, sagt Schürrle über seine Leistung am Samstag in Augsburg. „Daran war wenig gut.“

Allerdings war es das bei den wenigsten Wolfsburgern. Selbst der zuletzt überragende Kevin De Bruyne konnte kaum glänzen. Dass Schiedsrichter Manuel Gräfe dem VfL dann auch noch ein korrektes Tor von Robin Knoche aberkannte, passte ins Bild. „Wir wollten es locker angehen lassen“, so Schürrle. „Aber das ist in der Bundesliga schwierig.“ Was auch auf seine eigene Situation zutrifft.  TIMO KELLER