BETTINAGAUS MACHT
: Demokraten leben länger

Die Dinos hatten keine Ahnung; wir wissen, worum es geht. Aber ob uns das vor der Klimakatastrophe rettet?

Wir wissen nicht, warum die Dinosaurier ausgestorben sind. Immerhin lässt sich sagen, dass es keine Dino-Wissenschaftler gab, die Gefahren analysieren konnten. Da sind wir im Vorteil. Ohne Fachleute hätten wir bis heute keine Ahnung, dass die Erde sich erwärmt. Aber wir wissen es ja. Ob allerdings am Ende die Unkenntnis der Saurier über ihr Schicksal eine Gnade war, verglichen mit dem, was uns erwartet: Das steht noch dahin.

Experten haben großartige Ideen entwickelt, mit denen sich die Katastrophe zumindest aufhalten ließe. Der Emissionshandel beispielsweise ist ein genial einfaches System, das durchschlagende Wirkung erzielen könnte. Dass sich Lobbygruppen und Vertreter nationalstaatlicher Interessen – vulgo: Politiker – mit allen Mitteln gegen Vereinbarungen wehren, ist nicht der Fehler der Fachleute. Man muss keine Prophetin sein, um vorherzusagen, dass die Ergebnisse der Konferenz in Durban hinter dem zurückbleiben werden, was jetzt nötig wäre. Und man braucht keine Kristallkugel für die Gewissheit, dass Durban – vor allem in den Industrieländern – die weit verbreitete Verachtung und das Misstrauen gegenüber Politikern vertiefen wird. Leider.

Diese Gefühle haben in den letzten Jahren bereits dazu geführt, dass immer größere Teile der Bevölkerung auf Parteien und deren Repräsentanten am liebsten ganz verzichten möchten. Erstaunlicherweise teilen inzwischen sogar manche Spitzenpolitiker das Gefühl der Politikerverdrossenheit. Wie kürzlich Mario Monti bewies. Er berief 17 parteilose Technokraten in sein Kabinett und erklärte, es werde „hilfreich“ sein, dass Politiker nicht in der italienischen Ministerrunde vertreten seien. Hilfreich für wen?

Der Schritt zeugt von einem rührenden Kinderglauben an die unbestechliche Urteilskraft von Fachleuten. Als ob Experten sui generis gefeit seien gegen Einflüsterungen von Lobbyisten und gegen die Verlockungen der Korruption. Als ob sie Roboter ohne eigene Überzeugungen wären. All das sind sie nicht. Manches allerdings unterscheidet sie von Politikern: Sie sind nicht einmal eingebunden in Parteidisziplin und in die Rahmenbedingungen eines Grundsatzprogramms. Und sie müssen sich keiner Wahl stellen.

Es stimmt nachdenklich, dass ausgerechnet ein zu Recht angesehener EU-Politiker wie Monti einen Eckpfeiler der Demokratie einreißt, sobald die Zeiten schwierig werden. Plötzlich ahnt man, mit welcher Verachtung in den Büros von Brüssel über Instrumente der freiheitlichen Willensbildung gesprochen wird. Aber der italienische Weg wird in der europäischen Öffentlichkeit ja auch widerspruchslos zur Kenntnis genommen. Technokraten in Brüssel haben also keinen Grund zur Sorge. Wer verteidigt derzeit eigentlich noch das System der parlamentarischen Demokratie?

Die Erfahrung lehrt, dass sich schmerzhafte Entscheidungen auf Dauer weder ohne sachverständigen Rat noch ohne Zustimmung der Bevölkerung durchsetzen lassen. Egal, ob es um die Sanierung eines Staatshaushalts geht oder um das Ziel des Klimaschutzes. Genau deshalb haben autoritäre Regime ja so viel Angst vor weltweit gültigen Verträgen. Wem an unserem Überleben als Spezies liegt oder auch nur an der Beständigkeit des Euro, kann nichts anderes tun, als um Zustimmung zu werben. Aber das ist mühsam. Wie ein alter Spruch sagt: Demokratie macht ziemlich viel Arbeit.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: A. Losier