: Macht endlich mal Platz da!
CHARMEOFFENSIVE Kulturstaatsminister Bernd Neumann engagiert sich für mehr Dokfilme bei ARD und ZDF
EIN DOKUMENTARFILMVETERAN
Der Anteil der CDU-Wähler unter den hiesigen Dokumentarfilmregisseuren dürfte nicht allzu hoch sein, doch Bernd Neumann, der Staatsminister für Kultur, bemüht sich redlich, in der Szene Sympathisanten für seine Partei zu gewinnen. Am Donnerstag hat er in Potsdam den Deutschen Kurzfilmpreis verliehen, und diesen Auftritt vor Branchenpublikum nahm der Politiker wieder mal zum Anlass, auf einen Missstand hinzuweisen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen zeige zu wenig Dokumentarfilme, sagte er bei der Veranstaltung. „Die Tendenz ist ja schon lange zu erkennen, dass die Sender Dokumentarfilme ins Abseits, also auf unattraktive Sendeplätze um Mitternacht oder in Spartenkanäle, verbannen.“ Das sei „inakzeptabel“.
Gerade erst vor gut einem Monat hatte Neumann beim Dokumentarfilmfestival in Leipzig moniert, es gehe „nicht an“, dass die öffentlich-rechtlichen Sender „notwendige Recherchen oft überhaupt nicht mehr bezahlen“. Solche Äußerungen haben Brisanz, denn der CDU-Minister schlägt sich damit in zwei Debatten auf die Seite der Filmemacher. Zum einen ist die Atmosphäre zwischen der ARD und der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) angespannt, seit Mitte des Monats die Verhandlungen über die künftigen Finanzierungsmodalitäten von TV-Dokus gescheitert sind. Die AG kritisiert, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen „die Mittel für unabhängige Dokumentarfilmproduktionen seit Jahren ohne Inflationsausgleich auf unterstem Niveau stagnieren“.
Einen Konflikt gibt es auch zwischen der AG Dok und dem Kulturkanal Arte, der künftig „freundlicher, emotionaler und zugänglicher“ sein will und deshalb sein Programmschema vereinheitlicht hat. Die AG befürchtet, dass randständige Dokus zu kurz kommen, und der Sender ist sauer, weil Thomas Frickel, der Vorsitzende des Interessenverbands, der Presse interne Papiere zugespielt hat.
Ob Neumanns Worte zu einer Wiederannäherung beitragen können, ist fraglich, denn nicht wenige Regisseure haben die öffentlich-rechtlichen Sender längst abgeschrieben. „Es gibt in jedem Sender gute Leute, aber die sind genauso verzweifelt wie wir, weil sie nichts mehr durchkriegen“, sagt ein Veteran der Szene. Manche Kollegen hoffen, dass sich neue Abspielplätze etablieren. Seit Donnerstag gibt es etwa bei Zeit-Online Dokumentarfilme zu sehen. Partner bei dem Projekt ist die Doc Alliance, ein Zusammenschluss diverser Dokumentarfilmfestivals.RENÉ MARTENS