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Archiv-Artikel

EU-Beamte klüngeln mit der Wirtschaft

FILZ Eine neue Studie zeigt: Noch immer wechseln hochrangige EU-Beamte ohne Unterbrechung direkt in die Wirtschaft. Dabei gibt es klare Regeln, die das eigentlich verhindern sollen. Sanktionen bleiben aus

BRÜSSEL taz | Obwohl der Verhaltenskodex der Brüsseler Behörde dies eigentlich verbietet, wechseln immer wieder ehemalige hohe Beamte aus der Europäischen Kommission direkt in die Privatwirtschaft. „Der schnelle Wechsel führt zu Machtmissbrauch und Interessenkonflikten, weil die EU-Angestellten ihr Insiderwissen und ihre persönlichen Kontakte mitnehmen“, sagt Timo Lange von der Nichtregierungsorganisation Alter-EU. Diese hat in einer Studie die Konsequenzen dieses sogenannten Drehtüreffekts untersucht und dafür 15 solcher Wechsel aus den vergangenen Jahren beleuchtet.

Besonders erstaunlich ist der Fall von Derek Taylor. Er war bis 2009 ranghoher Beamter der Kommission in Energiefragen, bevor er zur Lobbyagentur Burson-Marsteller wechselte, wo er ebenfalls als Energieberater tätig war. Zwischen den beiden Jobs lagen nur wenige Wochen. Der Wechsel wurde von der EU-Kommission bis heute nicht autorisiert; Sanktionen gab es für Taylor allerdings auch nicht.

Das Abwerben von EU-Angestellten ermöglicht finanzstarken Lobbys in Brüssel einen privilegierten Zugang zu den Entscheidungsprozessen der EU. Das führt zu einem Ungleichgewicht zwischen den Lobbyorganisationen, die sich das Abwerben leisten können, und denen, die über solche Finanzen nicht verfügen – zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherschutzverbände.

Die Europäische Kommission selbst hatte vor einigen Jahren eingeräumt, dass der Drehtüreffekt ein Problem darstellt. 1999 war der ehemalige deutsche EU-Kommissar Martin Bangemann direkt beim spanischen Konzern Telefónica eingestiegen, nachdem er bei der Kommission ebenfalls für die Kommunikationsindustrie zuständig war. Die Kommission beschloss daraufhin einen Verhaltenskodex. Eigentlich müssen EU-Beamte eine Karenzzeit von 18 Monaten einhalten und eine ausdrückliche Genehmigung der Behörde beantragen, wenn sie in die Privatwirtschaft wechseln wollen. Dies wird laut Alter-EU aber nur in den seltensten Fällen eingehalten. Die NGO fordert deshalb schärfere Regeln. RUTH REICHSTEIN