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Archiv-Artikel

„Das Gespräch wird unterschätzt“

Beim hannoverschen „up-and-coming“-Festival werden Filme von Filmemachern aus 43 Ländern gezeigt. Dabei wird keiner der Filmemacher älter als 27 Jahre sein. Festival-Leiterin Karin Inhülsen über YouTube, Star Wars VII und ein Hotel für alle

KARIN INHÜLSEN, 53, studierte Grafik-Design und Sozialwissenschaften und ist Mitglied des Leitungsteams von „up-and-coming“.

INTERVIEW: KLAUS IRLER

taz: Frau Inhülsen, bei „up-and-coming“ laufen Filme junger FilmemacherInnen. Formale oder inhaltliche Einschränkungen gibt es nicht. Warum braucht man so ein Festival, wenn es doch Internet-Portale wie YouTube gibt?

Karin Inhülsen: Weil man sich bei up-and-coming persönlich begegnet und ins Gespräch kommt. Das wird heutzutage immer unterschätzt. Aber es ist ein Bedürfnis da, vor Ort dabei zu sein und sich kennen zu lernen und auch zu feiern. Und natürlich sind die Leute sehr darauf gespannt, zu sehen, wie das Publikum reagiert, wenn ihr Film in der Öffentlichkeit auf einer großen Leinwand läuft. Diese spontane Reaktion hat man bei YouTube nicht.

Dieses Jahr wurden 2.680 Filme aller Genres bei up-and-coming eingereicht, zeigen werden Sie davon ab Donnerstag knapp 200. Wie haben Sie ausgewählt?

Unser Hauptkriterium ist Originalität. Wir suchen Filme, die innovativ sind, Ideen zeigen, originär sind. Die technische Qualität ist nicht so wichtig.

Die Filmemacher dürfen bei up-and-coming maximal 27 Jahre alt sein. Nach unten gibt es keine Grenze. Wie alt sind die Jüngsten?

Zwischen sieben und zehn Jahren. Das ist die Kita Feuerwache aus Frankfurt mit dem Film „Star Wars VII“, bei dem sie alles selber gemacht haben – sogar die Blue-Box.

Wie bewerten Sie so einen Film im Vergleich zu der Arbeit eines über 20-jährigen Filmstudenten?

Wir haben drei Gruppen gebildet: Bis 16 Jahre, bis 22 Jahre und dann bis 27 Jahre. In diesen drei Gruppen wird sowohl im Deutschen als auch im internationalen Programm von einer Jury jeweils ein Filmpreis vergeben. Einen allen übergeordneten Hauptpreis gibt es nicht.

Geht es Ihnen um Basisarbeit oder um Begabtenförderung?

Sowohl als auch. Es geht darum, den Kindern und Jugendlichen ein Forum zu bieten und ihnen zu ermöglichen, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig wollen wir auch Sprungbrett sein für begabte Filmemacher und Filmhochschule-Studenten – wir haben Beiträge aus insgesamt 36 Filmakademien dabei.

Was unterscheidet es von anderen Festivals?

Es ist das Größte in dieser Art. Zum anderen ist es eben auch international. Und es ist so angelegt, dass alles an einem Ort stattfindet. Die Filmemacher wohnen auch in einem Hotel zusammen, so dass sie sich kennen lernen – und dadurch wieder neue Kooperationen entstehen.

Sie leiten das Festival seit 25 Jahren. Dieses Jahr sollen auffällig viele sehr ernste Filme eingereicht worden sein. War es früher einfacher, jung zu sein?

Ja, es war damals einfacher, jung zu sein. Weil die Optionen, die man hatte, deutlicher definiert waren. Heute kommt die Medienlandschaft hinzu, die größere Ansprüche an die Jugendlichen stellt. Sie müssen lernen, damit umgehen zu können. Außerdem ist heute die Berufswahl eingeschränkt: Man findet schwer eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz. Das motiviert Jugendliche nicht, glücklich in die Zukunft zu sehen.

SO GEHT UP-AND-COMING

„up-and-coming“ ist ein Filmfestival, auf dem ausschließlich Filme vom Filmemachern gezeigt werden, die höchstens 27 Jahre alt sind. Das Programm umfasst zwei Wettbewerbe, den deutschen und den internationalen. In diesem Jahr gab es insgesamt 2.680 Bewerbungen, von denen 98 Filme für den deutschen und 94 Filmen für den internationalen Wettbewerb ausgewählt wurden. Das Festival findet vom 22. bis zum 25. November in Hannover im Cinemaxx in der Nikolaistraße statt. Das Programm gibt es unter www.up-and-coming.de

Am kommenden Sonntag wird dann im deutschen Wettbewerb der „Deutsche Nachwuchsfilmpreis“ von einer fünfköpfigen Jury dreimal vergeben, und zwar in den Altersgruppen bis 16 Jahre, 17 bis 22 Jahre und 23 bis 27 Jahre. Erstmals geht die jeweils mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung mit einer Patenschaft einher. Die Produzenten Peter Rommel, Regina Ziegler und Volker Engel werden die Gewinner bei einem künftigen Projekt begleiten. Engel zählte zu den Entdeckungen des Festivals vor 25 Jahren, 1997 gewann er mit dem Hollywood-Blockbuster „Independence Day“ den Oscar für Special Effects.

Im internationalen Wettbewerb wird analog zum „Deutschen Nachwuchsfilmpreis“ dreimal der „International Young Film Makers Award“ vergeben. Im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant ist der „International Young Film Makers Award“ allerdings nicht dotiert. KLI

Welche Altersgruppe haben Sie da am besten im Blick?

Die meisten Einsendungen bekommen wir in der Altersgruppe zwischen 18 und 27. In diesem Alter beschäftigen sich die Filmmacher hauptsächlich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Es geht um Einsamkeit, Verlassen-Sein, Probleme mit Freunden, dem Elternhaus, in der Schule. Diese Themen tauchen immer wieder auf, und das finden wir auch gut, weil diese Themen authentisch sind. In diesem Jahr hatten wir nun erstmals mehrere Filme zu dem Thema Gewalt in der Schule. Außerdem haben wir mittlerweile auch viele Filme von Migranten-Kindern dabei, die sich mit ihrer eigenen Thematik einbringen. Ein Film von türkischen Mädchen zum Beispiel, die sich damit auseinandersetzen, dass ihre Mütter Kopftücher tragen und sie nicht.

Beobachten Sie Veränderung in der Art, wie die Themen behandelt werden?

Es ist heutzutage einfacher, mit dem Handwerklichen umzugehen. Aber die Art ist immer ähnlich: Es sind Jugendliche, die anfangen, Filme zu machen.

Das Festival startete 1982 als Schülerfilmfestival. Wie kam es zu der Entwicklung bis zum heutigen Format?

Burkhard Inhülsen, der auch zur Festivaldirektion gehört, ist Kunsterzieher und hat mit seinen Schülern Filme gemacht. Die brachte er nach Hause und von dem Ideenreichtum waren wir begeistert. Da entstand die Idee, eine Öffentlichkeit für diese Filme zu schaffen. Beim ersten Mal gab es über 500 Einsendungen. Wir veranstalteten das Festival erst bundesweit mit europäischen Gastländern, dann europaweit und dann kamen plötzlich Filme aus den USA. Durch das Internet ist das Festival schnell international geworden.