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Archiv-Artikel

Das Innerste nach außen kehren

MUSIK In Spanien ist die Sängerin Buika längst ein Star. In der Reihe „HKW Royal“ ist sie mit ihren von Jazz ebenso wie von Flamenco und Copla andaluza beeinflussten Kompositionen in Berlin zu hören. Ein Porträt

Buika bei HKW Royal 2015

Das Haus der Kulturen der Welt präsentiert mit seiner jährlichen Konzertreihe „HKW Royal“ die schillerndsten Stars der globalen Musikszene. Buika, deren Eltern aus Äquatorialguinea nach Spanien flüchteten, hat in den letzten Jahren bereits von Kontinent zu Kontinent das Publikum mit ihrer rauchigen Stimme begeistert.

■ Buika: HKW, John-Foster-Dulles-Allee 10, 18. 3., 20 Uhr, Tickets: 28/36/40€, www.hkw.de

VON DANIEL BAX

Die Sängerin Buika lässt sich nicht gerne auf ein Genre festlegen. Gerade hat sie ein Buch mit Fotos und Gedichten veröffentlicht, in dem sie ihr Innerstes nach außen kehrt. Es trägt den Titel „An jene, die schwierige Frauen lieben und sie am Ende loslassen“, handelt von Erinnerungen und Sehnsüchten und dokumentiert ihr literarisches Talent und ihr intimes Verhältnis zur Fotografie, ob vor oder hinter der Kamera. Sie selbst nennt es „das erste Tiefen-Interview, das ich je gegeben habe“.

In Spanien und Frankreich ist Buika längst eine Berühmtheit. Sie wird dort gefeiert für ihre rauchig-raue und ausdrucksstarke Stimme und ihre ungewöhnlichen Kompositionen, musikalische Zwitterwesen aus Flamenco, Jazz und spanischen Chansons im Stil der Copla andaluza aus den 40er Jahren. Jazzgrößen wie Chick Corea, Pat Metten und Chucho Valdés haben schon mit ihr zusammengearbeitet. Ihre lebhafte und ungewöhnliche Persönlichkeit trägt das Übrige dazu bei, dass sie die Aura des Außergewöhnlichen umgibt, auf der Bühne gilt sie als unberechenbar.

„Ich hoffe sehr, dass ich immer noch Teile eines wilden Tieres in mir habe“, sagt die 42-Jährige am Telefon in Miami, wo sie heute lebt. „Wir sind doch alle ein bisschen wie Roboter“, findet sie. „Schon wenn du auf der Straße singst, denken die Leute, dass du verrückt bist. Aber ich fürchte mich nicht mehr vor mir selbst“, bekennt sie sich zu ihrer eigenen Expressivität. „Ich liebe es, zu improvisieren und Dinge zu erfinden. Als ich ein Kind war, war das allerdings ein Problem. Man warf mir vor, ich würde lügen, dabei habe ich mir bloß Dinge ausgedacht.“

Aufgewachsen ist Buika, die mit vollem Namen María Concepcíon Balboa Buika heißt, in ärmlichen Verhältnissen. Als Kind von politischen Flüchtlingen aus Äquatorialguinea wurde sie auf der Touristeninsel Mallorca im Barrio Chino der Hauptstadt Palma groß. „Wir waren die einzige schwarze Familie in einer weißen Nachbarschaft“, erzählt sie. Ob Touristen oder Einheimische, das machte für sie damals keinen großen Unterschied. „Alle waren mir gleich fremd, das waren alles Weiße.“

Bis heute aber hat sie Freunde auf Mallorca, und auch ein Teil ihrer Familie lebt noch immer dort. Auch Deutsche lernte sie dort kennen. „Ich war mal mit einem Deutschen zusammen, als ich 17 war“, erinnert sie sich. „Er erzählte mit von den Dächern von Köln.“

In Spanien aufzuwachsen hat sie musikalisch geprägt. „In jenen Jahren liefen Flamenco und Pop überall – im Radio, aus den Autos, in den Geschäften“, erzählt sie. „Dieser Flamenco-Flavour hat mich stark beeinflusst.“ So ist es für sie etwas Selbstverständliches, vom andalusischen Gesang in eine Jazz-Koloratur zu wechseln – ein Selbstverständnis, das ihr heute häufig fehlt. „In den achtziger Jahren war die Musik viel freier, es gab eine größere Vielfalt an Rhythmen von überall“, glaubt Buika. „Jetzt kommt es mir manchmal so vor, als würden alle zum gleichen Beat tanzen.“

Schon wenn du auf der Straße singst, denken die Leute, dass du verrückt bist

Die Anfänge als Sängerin waren nicht leicht. Sie verdingte sich als Putzfrau, sang auf Hochzeiten und arbeitete, als sie eine Weile in London lebte, sogar für eine Telefonsex-Agentur, wo sie am Hörer einen Orgasmus simulierte, während sie mit einem Auge eine Serie im Fernsehen verfolgte. Mit dem Geld kaufte sie sich ihre erste Gitarre. Ob sie aufgrund solcher Erfahrungen die Lieder von tragischen Heldinnen wie Billie Holiday, Edith Piaf oder der Mexikanerin Chavela Vargas mit solcher Hingabe singt? „Wir alle gehen durch schmerzhafte Phasen“, sagt Buika. „Schmerz ist etwas, dass uns zusammenkommen lässt, er ist universell. Eine Träne in China zeugt vom gleichen Schmerz wie eine Träne in Amerika.“ Seine Gefühle durch den Gesang zu teilen sei aber ein Weg, „den Schmerz loszulassen und festzustellen, dass du nicht alleine bist“.

Zu Buikas Fans zählen die französischen Sängerin Zaz und der spanische Regisseur Pedro Almodóvar, in dessen Film „Die Haut, in der ich wohne“ sie 2011 einen Auftritt hatte. „Ich war damals wirklich verängstigt und unsicher“, schwärmt Buika noch heute von der Zusammenarbeit. „Aber er hat mir sehr geholfen.“ Seitdem fühle sie sich sicherer – so sicher, dass sie inzwischen sogar ihren ersten eigenen Film gedreht hat.

Aus einem ihrer Gedichte, das ihrem Bruder, der Regisseur ist, so gut gefiel, entwickelte sie erst ein kurzes Video und dann einen ganzen Film. „Es war eine großartige und schreckliche Erfahrung, ein schöner Albtraum“, resümiert Buika. Außerdem bereitet sie gerade ihr nächstes Album vor, das diesmal etwas elektronischer klingen soll. Was darf man davon erwarten? „Erwartungen sind nicht gut, sie sind eine Lüge“, wehrt Buika ab. „Sie lassen dich auf Dinge warten, die nicht eintreffen.“