Schlusslicht Schünemann

Niedersachsens Chef-Datenschützer hält das Polizeigesetz für verfassungswidrig und kritisiert Videoüberwachungen. Beim Schutz der Privatssphäre liege das Land hinten

Beim Datenschutz fährt Niedersachsen „im letzten Wagen“. So sieht es der Datenschutzbeauftragte des Landes, Joachim Wahlbrink. Er kritisierte bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts, der Datenschutz werde im schwarz-gelb regierten Niedersachsen stark vernachlässigt. Im kleineren Schleswig-Holstein „gibt es viermal so viel Haushaltsmittel“ für den Datenschutz, sagte Wahlbrink. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe zwar überall seit den Terroranschlägen vom September 2001 gelitten, im Ländervergleich sei Niedersachsen jedoch „eines der wenigen Schlusslichter“.

Vor allem seinen Dienstherrn Uwe Schünemann ging der Datenschützer an. Dass der CDU-Innenminister in Braunschweig Kameras zur Videoüberwachung „mit Bratwurst und Blasmusik“ eingeweiht hat, findet Wahlbrink überzogen. Die Kameras vor Bahnhöfen oder in U-Bahnen veränderten das Verhalten der Leute, Unbescholtener wie Krimineller: Letztere würden an Orte ohne Überwachung gedrängt.

Das in der vergangenen Woche vom Landtag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedete neue Polizeigesetz hält der Datenschützer für verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vor gut zwei Jahren das alte schünemannsche Polizeigesetz gekippt. Bei der präventiven Telefonüberwachung müsse das Abhören auf Verdacht sofort eingestellt werden, wenn das Gespräch sich um Privatangelegenheiten handeln könnte, hatten die Richter geurteilt.

Im neuen Polizeigesetz laute die Regelung jedoch nicht, „im Zweifel abschalten“, sondern „hier im Zweifel doch hinhören“, sagte Wahlbrink. Das novellierte Polizeigesetz besage „genau das Gegenteil“ des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Diese Einwände hätten den Landtag jedoch leider „nicht beeindruckt“.

Für „unbegründet“ hält Hans-Christian Biallas (CDU) die Einwände: Der Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung sei vergleichbar mit der von CDU und SPD im Bund beschlossenen neuen Regelung der Strafprozessordnung. KAI SCHÖNEBERG