: Das Zwerchfell federt leicht
ERFAHRUNGSBERICHT Bei einem Seminar für Lach-Meditation in Hamburg giggeln die Teilnehmer wie Babys, benehmen sich wie eine Bande aufgedrehter Affen und kommen dabei sogar in einen leichten Rauschzustand
VON JOHANNES OTTMAR
Ich lass’ mir ungern was sagen. Tief einatmen, wieder ausatmen, aufstehen, hinlegen und am Ende auch noch lachen – ohne Grund? So was mobilisiert erst mal inneren Widerstand. Caroline Schubert, Lehrerin für Lachmeditation aus St. Pauli, mit der ich zufällig ins Gespräch gekommen bin, stößt öfter auf solche Vorbehalte. Andererseits müsste ich vielleicht mehr darüber wissen. Nicht gleich „Nein“ sagen. Womit sie wohl recht hat.
Gerne holt sie kurz aus und klärt mich auf: „Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind – wir sind glücklich, weil wir lachen.“ Der Satz stammt von Madan Kataria, einem indischen Arzt, der mit dem sogenannten Lachyoga weltweit populär geworden ist. In der Praxis bedeutet das: „Fake it, until you make it.“ Tu so als ob, bis es echt wird. Ich bin perplex. Nicht das Bewusstsein der Menschen bestimmt ihr Lachen, sondern das Lachen bestimmt ihr Bewusstsein? Klingt nach dialektischem Materialismus, ideologisch unverdächtig. Ein Versuch kann wohl nicht schaden.
Ich gehe das Ganze als einen Akt der Selbstermächtigung an. Wenn mein Körper lacht, werde ich merken, was das mit mir und dem gesellschaftlichen Ganzen macht. Ich melde mich zu einem von Carolines Seminaren an.
Doch bleiben Bedenken. Niemand will auf Abruf lachen müssen. Obwohl es sich häufig nicht vermeiden lässt. Je nach Situation signalisieren wir Einverständnis, weichen Auseinandersetzungen aus, verhalten uns höflich. In unserem eigenen Interesse. Dem falschen Lachen gehört die Welt. Ob das mit dem richtigen Lachen im falschen klappen kann? Ich weiß auch nicht. Merkwürdige Sache, das mit der Lache. Erst mal werde ich einen Ruck durch mich gehen lassen. Ich werde mich aus meinem Lachschneckenhaus bewegen, an eine lachende Öffentlichkeit treten und das Falsche an meinem Lachen falsch auslachen. Das ist der Plan. Die nötige Bereitschaft, das Zwerchfell zu bewegen, bringe ich mit.
In einem Yoga-Studio am Rande des Hamburger Schanzenviertels, das Caroline freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, ist es dann so weit. Wir sitzen auf Wollunterlagen im Kreis. Ich bin ungeduldig, das Vorgespräch dauert. Doch wie sich herausstellt, können schon wenige Infos zur Person in der Runde für mehr gegenseitiges Zutrauen sorgen. Jeder ist mal an der Reihe. Ich kündige meinerseits an, etwas über das Ereignis schreiben zu wollen. Ganz bestimmt können sich alle darauf verlassen, dass niemand der Anwesenden schlecht dabei wegkommt. Ich fürchte, hier und da bleiben Restzweifel offen.
Wenn meine Lachlehrerin Caroline nicht wäre, würde ich wohl eher durch Abwesenheit glänzen. Angst bewahrt viele Menschen davor, jemals an einer Lachmeditation teilzunehmen. Doch Caroline spricht aus Erfahrung, macht Vorschläge, platziert Hinweise. Es liegt an mir, was ich davon aufgreifen will. Sie lässt mir die Wahl. Darauf kann ich mich einlassen.
Wir erheben uns. Ich lege meine Brille ab. Aufwärmübungen stehen auf dem Programm. Da ich stark kurzsichtig bin, fällt es mir leicht, mich auf meinen eigenen Körper zu konzentrieren, während wir uns zu verschiedenen Musiken schütteln und lockern. Wie sich herausstellt, mache ich beim Hüpfen auf der Stelle mit erhobenen Armen als erster schlapp. Glücklicherweise ist das nicht schlimm, in gruppendynamischer Hinsicht. Die anderen machen weiter.
Ein leichter Rauschzustand
Es folgen Übungen, die langsam „an das Lachen heranführen“, wie Caroline sagt. Meine Berührungsängste bei Körperkontakt halten sich in Grenzen. Atem-Techniken, die Atemfrequenz und damit den Sauerstoffgehalt im Blut erhöhen, erweisen sich als effektiv. Ein leichter Rauschzustand stellt sich ein.
Beim stimmhaften Ausatmen wird mir klar, dass Atem- und Lachwege auf ein und dasselbe hinauslaufen. Es kommt zu kleineren, mehr oder weniger zaghaften, gelenkten Lachgeräuschen sowie zu sogenanntem Giggeln. Ich entscheide mich spontan für eine Variante, die ich für mich als „dreckige Lache“ definiere. Es fühlt sich ganz, ganz prima an. Wann ergibt sich schon mal die Gelegenheit? Das Zwerchfell federt leicht. Doch bevor mehr daraus wird, bricht Caroline ab. Wir legen eine Pause ein. Der Höhepunkt des Abends liegt vor uns.
Die Lachlust wurde erfolgreich angeheizt. Ich gehe eine Zigarette rauchen, damit ich später besser husten kann. Dann, gut aufgewärmt und aufgelockert, legen wir die Wollmatten sternförmig im Kreis zusammen. Auf dem Rücken liegend, mit dem Kopf zur Mitte hin, unbeobachtet von den anderen Teilnehmern, pumpen wir einige Minuten lang Luft in uns hinein. Caroline empfiehlt, die Beine anzuziehen.
In Embryonalhaltung fliege ich los – in eine lachhafte Zukunft. Ich beginne mit dem Klassiker: „Hahahahaha …“ Durch die angezogenen Beine verstärkt sich die Körperwahrnehmung vom Zwerchfell bis über den Brustkorb. Ich lache längere Zeit auf dem A herum, bevor ich mir das I vornehme. Das „Hihihihihi …“ weiß etwas, von dem das „Hahahahaha …“ keine Ahnung hat. Der Mund verzieht sich dabei auf unterschiedliche Art und Weise. Sehr interessant. Zusammen genommen ergeben die beiden ein „Haihaihiahaihaihai …“ – was als Vokalfolge viel zu kompliziert ist. Es wird nur ein kleines Intermezzo draus. Schnell schiebe ich ein bodenständiges „Hohohohoho …“ hinterher. Schon besser! Ich intoniere das O stoßweise und befinde mich für Sekunden entwicklungsgeschichtlich um die sechs Millionen Jahre vor unserer Zeit. Es folgen zunächst ein tiefes, dann ein hohes „Ohohohoho …“ , das ich in der Mundhöhle unterschiedlich moduliere. Die Stimmung im Raum steigt, das sogenannte Ansteckungslachen setzt ein.
Wie eine Affenbande
In einem Moment sind wir eine Bande aufgedrehter Affen, im nächsten produzieren wir das anstrengungslose Gelächter von Menschen, die sich über sich selbst amüsieren. Wenn ich richtig höre, schreit hier und da ein Baby. Es ist schwer, die Geräusche auseinanderzuhalten. In meinem Oberkörper steckt eine Tube, auf die ich nach Belieben drücken kann. Ich lache jetzt mit bis zu hundert Sachen. So hoch ist die Atemgeschwindigkeit. Schwindelerregend.
Das E ist dran. Das Zwerchfell federt leicht. Ich entringe mir ein gehecheltes „Hehehehehe …“ Und wirklich – da tönt mir doch, aus meinem eigenen Mund, die schmutzige Lache des Kapitalismus entgegen! Ich erkenne, dass dieses Lachen mir allein gehört, gehören soll. Könnte ich mich selbst sehen, wäre mein Gesicht über und über rot. Ein „Hähähähähä …“ stünde ihm auf die Stirn geschrieben. So weit ist es gekommen. So weit kommt es noch. Das bin doch nicht ich! Diffus entsteht eine Art Selbsterkenntnis, die mich aufschreien lässt. Ein lachender Kapitalist haust in mir: ein grusliges Gefühl für einen überzeugten Linken, der keinerlei Kapital akkumuliert. Mein „Uhuhuhuhuhu …!“ wirkt vor diesem Hintergrund motiviert. Ich führe noch ein paar Experimente in der Grauzone von Lachen, Schreien und Weinen durch, die ziemlich irre klingen. Mir geht dabei die Puste aus. Wie es scheint, bin ich kein Einzelfall. Aus meinem Hals springt ein letztes Schaf ins Freie, bevor ich mich unter einer wärmenden Decke der Länge nach ausstrecke. Der Entspannungsteil hat begonnen.
Ich muss nicht alles zerreden, erst recht nicht den Entspannungsteil. Was ich verraten darf: Carolines Ansagen zeigen Wirkung. Sie beruhigen durch den Tonus, in dem sie gesprochen werden. Die Musik des Abends verklingt. Als hätte ich eine Reise unternommen, kehre ich zurück.
Was ist passiert? Ich war ein Tier, ich war ein Baby, ich war nicht ganz dicht.
Waffe gegen Unrecht
Es hat Spaß gemacht, ansatzweise die Kontrolle zu verlieren. Mein Körper hat sich wie versprochen als Wundertüte erwiesen. Wenn ich aufgestanden bin, mich verabschiedet habe und aus dem Yoga-Studio trete, werden wir unterm Strich politisch nicht viel bewegt haben. Aber immerhin kann ich von der neu gewonnenen Erfahrung her soziales Unrecht besser bekämpfen – ganz konkret, wenn es sich ereignet. Weil ich weniger lachgehemmt bin. Ich habe eine verkümmerte Körperfunktion trainiert, die ich gezielt einsetzen kann, wenn nur noch Lachen hilft. Und zwar aktiv. Notfalls geht auch meckern.
Infos über die Lachmeditation unter: www.carolineschubert.de