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Archiv-Artikel

Linke Selbstzerfleischung

Nach dem ersten wurde jetzt auch der zweite Linksfraktions-Geschäftsführer rausgeworfen. Trotz des Mitgliederbeschlusses, die Arbeitnehmerrechte der Fraktionsangestellten mit Sorgfalt zu achten

von Jan Zier

Wer die Bremer Linken dieser Tage nach ihrer politischen Arbeit befragt, erntet Schulterzucken, Schweigen. Man arbeite daran, heißt es dann, doch konkrete Initiativen können sie nicht benennen. In der siebenköpfigen Fraktion – der ersten ihrer Art in einem westdeutschen Landtag –, aber auch in dem mit ihr verbundenen parlamentarischen Apparat greift statt dessen Selbstzerfleischung um sich. Und der Streit eskaliert.

Sichtbarstes Zeichen der andauernden internen Machtkämpfe sind Personalien: Beide Fraktionsgeschäftsführer – also die parlamentarischen Strippenzieher – sind mittlerweile ihren Job los. Manfred Steglich ist bereits seit Anfang November freigestellt, er klagt gegen die Kündigung. Auch Christoph Spehr bekommt demnächst seine Kündigung zugestellt. Eine Pressesprecherin – ihr Vorgänger wurde nicht übernommen, bleibt aber Fraktionsmitarbeiter – kündigte schon nach drei Tagen von sich aus. Auch wenn sie, wie es heißt, die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hatte. Aber eben nicht alle. Nun hat die Parteispitze in Berlin reagiert, die Organisation der politischen Arbeit an sich gezogen, interimsmäßig einen neuen Fraktionsgeschäftsführer geschickt. Die Stelle ist ausgeschrieben und soll zu Jahresbeginn neu besetzt werden.

Offiziell mag in Bremen kaum einer darüber sprechen, doch hinter vorgehaltener Hand wird viel geredet, Papiere machen die Runde, intime Mails, SMS werden publik, es ist – nicht unbegründet – von Stalking die Rede. Demnächst wird all das vor dem Arbeitsgericht verhandelt.

Bodo Ramelow, im Parteivorstand der Linken für die Bund-Länder-Koordination zuständig, spricht von einem „konsequenten Schritt“, der gemacht werden müsse, von einem „notwendigen Klärungsprozess“. Vor allem aber erklärt er die Kündigung der beiden Geschäftsführer damit, dass sowohl Spehr als auch Steglich ihre „ganz banalen“ Geschäftsführertätigkeiten sträflich vernachlässigt hätten. Von einer „Buchhaltung im Schuhkarton“ ist dann beispielsweise die Rede. „Wenn wir jetzt nichts unternommen hätten“, sagt Ramelow, „dann wäre uns der Laden bald um die Ohren geflogen.“ Dass es so kommen würde, wussten die Berliner Strategen allerdings schon vor der Einstellung von Spehr und Steglich, sie wollten gleich Personal von der Spree an die Weser schicken, aber das lehnten die Bremer ab.

Auffällig ist auch, dass in der Kündigung der beiden Fraktionsgeschäftsführer nicht von unprofessioneller Arbeit die Rede ist. Da geht es um eklatantes „persönliches Fehlverhalten“ Steglichs gegenüber seiner Vorgesetzten. Und Spehr wird vorgeworfen, dass er sich auf Steglichs Seite gestellt hätte. Deshalb soll er jetzt ebenfalls gehen. Politisch, wird immer wieder betont, gebe es an beiden nichts auszusetzen, immer wieder wird von verschiedenen Seiten ihre fachpolitische, inhaltliche Kompetenz gelobt. Spehr soll bleiben, sagt auch Ramelow – aber nur als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Die Basis reagiert mit Entäuschung, mit Wut, mit Unverständnis. Sie ziehen sich ins Private zurück, auf Mitgliederversammlungen lassen sich viele von ihnen nicht mehr blicken. Enttäuscht sind viele nicht zuletzt auch von ihren beiden Fraktionsvorsitzenden, den beiden Gewerkschaftern Monique Troedel und Peter Erlanson. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, so der Tenor in Internet-Foren, „glasklare Transparenz“ herzustellen, vor allem gegenüber der Partei, und mit offenen Karten zu spielen. Genau das aber haben sie nicht, so der wiederholte Vorwurf, dazu die konstruktive Auseinandersetzung verhindert.

Unangenehm sind die Bremer Querelen für die Linkspartei deshalb, weil sie sich bei den anstehenden Wahlen in Niedersachsen und Hamburg gute Chancen ausrechnet, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Mit guter Oppositionsarbeit zu glänzen, ist da wichtig. Immerhin veröffentlichte die Fraktion gestern eine Pressemitteilung. Thema: „Unzufriedenheit am Arbeitsplatz bei einem Drittel der Bremer Beschäftigten“.