: Von der Hausfrau zur Netzwerkerin
NEUERSCHEINUNG Die Kunsthistorikerin Ursula Meyer-Rogge zeigt, wie sich die Hamburger Künstlerinnen nach 1968 emanzipiert haben. Dabei lässt sie in 35 Texten ausgewählte Frauen und ihre Arbeit aufscheinen
In seiner doppelten Eingrenzung legt ein Buchtitel wie „Künstlerinnen in Hamburg“ zwei Fragen nahe: Wieso Hamburg, wieso Frauen? Ist Hamburg eine feministische Hochburg oder so besonders, dass es sich lohnt, in einem Buch speziell nur den weiblichen Teil der hiesigen Künstlerschaft zu behandeln? Und werden mit dem Bezug auf alte Gender-Fronten nicht nur offene Türen eingerannt?
Um die Emanzipation der Künstlerinnen seit 1968 zu zeigen, ist für die Hamburger Kunsthistorikerin Ursula Meyer-Rogge die Beschränkung auf ihre Heimatstadt lediglich eine naheliegende Eingrenzung. „Aber die Frauen sollen nicht bloß die Beispiele sein, über die ich von oben herab doziere, mir geht es um die Vermittlung am Werk“, sagt sie zu ihrem soeben erschienenen Buch.
Und so spannt die Autorin nicht, wie bei Kunsttheoretikern üblich, einen großen Textbogen mit nur wenigen Kunstbeispielen. Stattdessen lässt sie, ganz ohne in einen dogmatischen Diskurs zu verfallen, in 35 kleinen Texten ausgewählte Personen und ihre Arbeit aufscheinen.
Neues Selbstverständnis
Von der noch ihr Hausfrauendasein reflektierenden Anna Oppermann über die Feldforscherin Lili Fischer zu den Netzwerkerinnen der Gruppe BeetoBee wird der Wandel im Selbstverständnis von Künstlerinnen vor allem als zwischen den Seiten zu lesende Entwicklung bemerkbar. So denn der Aufbruch der Künstlerinnen nicht genügend gewürdigt worden ist, soll dem hier kein ideologisches Postulat entgegengesetzt werden, sondern der Verweis auf die Breite und Tiefe der jeweiligen Kunst.
Dennoch werden in der Einleitung von Claus Mewes und Ursula Meyer-Rogge einige historische Fakten über weibliches Kunstwirken in Hamburg geliefert. So waren in den 70er Jahren Margit Kahl, Hilka Nordhausen und Clivia Vorrath wesentlich an der Gründung von neuen Künstlerorten (Arbeitsgalerie – vor Ort, Buchhandlungwelt, Produzentengalerie) beteiligt, lange bevor sie selbst als Künstlerinnen anerkannt wurden. Und die Autorin selbst war Titelgeberin und Eröffnungsrednerin der von der kulturpolitischen Initiative „Freie Vereinigung Bildender Künstler“ organisierten Groß-Schau „Dorn im Auge“: Das war noch 1982 der Versuch von 41 Künstlern und 10 Künstlerinnen, endlich ein Ausstellungsforum für zeitgenössische Kunst in Hamburg zu gewinnen.
Das Buch streift auf seinen 224 Seiten das Politische nur, es ist kein kunstsoziologischer Text. Auch „1968“ meint hier eher nebenbei den Beginn einer neuen Epoche, vorrangig aber das Datum, an dem Hanne Darboven durch den Tod ihres Vaters zu ihrer eigen, speziellen Kunstform fand. Doch indem die spezifischen Kunstpositionen in chronologischer Folge beschrieben werden, entsteht eine Geschichte künstlerischer Problemstellungen, ein Spiegel der Veränderungen in über 40 Jahren.
Veränderungen, „Metamorphosen“ – so der zweite Titel des Buchs –, sieht die Autorin nicht nur in der steigenden Akzeptanz der Künstlerinnen, sondern auch in den Werken. Sie findet sie in den unendlichen Umformungen bei Anna Opperman und in den Bildthemen von Inge Pries, bei Antje Bromma im Umgang mit dem Material und bei Inga Svala Thorsdottirs Pulverisierungen, bei der Mutation einer schrumpeligen Kartoffel zum silbernen Prachtstück bei Mariella Mosler oder in der Art, in der Judith Walgenbach Backpulver zum kreativen Treibmittel macht.
Eine Momentaufnahme
In Hamburg geboren sind nur vier der mehr als 40 erwähnten Künstlerinnen, alle anderen sind zugezogen. Das zeigt einerseits, dass es nicht ganz so schlecht sein kann, in Hamburg zu arbeiten; andererseits, dass die im Kunstbetrieb immer noch übliche strenge Zuordnung zu einzelnen Standorten nur eine Momentaufnahme ist.
Dass die Selbstaussagen der Künstlerinnen im letzten Text des Buches weitgehend in englischer Sprache sind, zeigt, wie international inzwischen deren Entfaltungsraum ist. Und im virtuellen Raum sind dann der Ort und selbst das Geschlecht ohnehin weitgehend austauschbar.
So ist diese kenntnisreiche Essay-Sammlung keine feministische Kampfschrift, noch postuliert sie für Hamburg die Vorreiterrolle einer Entwicklung. Sie ist einfach eine gut geschriebene und notwendige Erinnerung an die eine Hälfte des Hamburger Kunsthimmels – oder zumindest des mal mehr, mal weniger sichtbaren Kunstlebens in dieser Stadt. HAJO SCHIFF
Ursula Meyer-Rogge: „Metamorphosen – Künstlerinnen in Hamburg mit Werken seit 1968“, Dölling und Galitz, 224 S., 19,90 Euro
Buchvorstellung und Gespräch: morgen, 19 Uhr, Hamburg, Buchhandlung Sautter + Lackmann