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Archiv-Artikel

schwabinger krawall: qualm und stunk von MICHAEL SAILER

Er, sagt Herr Kellermann, lasse viel mit sich machen. Aber ein Wirtshaus, in dem man zum Rauchen auf die Straße hinausgeschickt wird, um sich den Tod zu holen, sei ebenso irrsinnig wie ein Klo, wo man zum Seichen vor die Tür gehen müsse, oder ein Stadion, in dem die Tore in der Umkleidekabine geschossen werden. Ein Wirtshaus habe den Zweck, dass man Bier und Tabak verzehre und seine Meinung sage, ohne dass ein dahergelaufener Politiker dahergelaufen komme und ihm wahllos irgend was verbiete.

Aber, tönt es vom Tisch der Taxifahrer und Altstudenten aus dicken Schwaden von Schwarzem Krausen hervor, es seien doch gerade seine Politiker, die das schärfste Rauchverbot außerhalb von Kalifornien beschlossen hätten. Es gehe keinen was an, wen er wähle, weil es ein Wahlgeheimnis gebe, sagt Herr Kellermann und betrachtet das Porträt des verstorbenen Großen Vorsitzenden mit qualmender Zigarre. Aber, brüllt er dann, wenn jetzt auch noch die CSU von grünen Gesundheitskommunisten unterwandert sei, werde er eben überhaupt niemanden mehr wählen.

Seiner Lunge, sagt eine Dame am Tresen, sei das Rauchen ebenso abträglich wie das Herumbrüllen, und an die Neuregelung werde er sich gewöhnen. Er gewöhne sich an nichts, brüllt Herr Kellermann, schon gar nicht an sie, und seine Lunge gehe sie nichts an. Das tue sie wohl, keift die Dame, schließlich müsse sie bezahlen, wenn er einen Krebs bekomme und nicht schnell genug daran sterbe. Der Wirt bittet, man möge sich beruhigen, vorläufig sei noch alles erlaubt, und Herr Kellermann brüllt, das habe man bei den schwulen Nazis auch geglaubt, und ein paar Wochen später habe man auf Stalingrad marschieren und sich totschießen lassen müssen.

Er wolle doch nicht schutzbedürftige Nichtraucher mit der Hitlerei vergleichen, kreischt die Dame, und Herr Kellermann brüllt, er habe hier außer ihr noch nie einen Nichtraucher gesehen, hingegen sei der Hitler ebenso ein solcher gewesen wie sein ganzer Verein, und bevor er wegen ihrer Lunge nach Stalingrad marschiere, brenne er die Bude lieber gleich ab. Zum Beweis seiner Entschlossenheit entzündet er ein Streichholz und hält es in die Luft, worauf der Trauerflor am Strauß-Foto mit einer Verpuffung verschwindet und die Dame lauthals um Hilfe ruft. Die Schafkopfrunde vom 13er-Revier beschließt, es sei an der Zeit, dienstlich tätig zu werden, hat aber nicht mit den Taxifahrern und Altstudenten gerechnet, die Herrn Kellermann zu Hilfe kommen. Dass in diesem Augenblick ein Trupp Punkrocker eintrifft, um sich bei einem Bier vom Konzert der Gruppe „Schnapskommando“ zu erholen, verschärft die Lage.

Als die herbeigerufenen Polizisten feststellen, dass es sich bei den alkoholisierten Randalierern zum Großteil um Kollegen handelt, beschließen sie, den Fall als erledigt zu betrachten, zumal sich nicht herausfinden lässt, worum es geht. Da die einigermaßen zerzauste Dame in dem Tohuwabohu ihre Schachtel Kim verloren hat, bittet sie Herrn Kellermann um eine Zigarette, worauf hin dieser ihr seine ganze Schachtel Salem überreicht und sagt, er wolle sich das Rauchen sowieso abgewöhnen.